Vertical Farming

Mit Pflanzenfabriken dem Klimawandel begegnen

Experten der Fachhochschule Burgenland arbeiten an smarter Technologie, die künftig Pflanzenfabriken steuern soll und bei minimalem Ressourcenverbrauch eine Nahrungsmittelknappheit verhindern könnte.

Ein Gemeinschaftsprojekt der FH Burgenland, des Austrian Institute of Technology (AIT) und des jungen Oberwarter Unternehmens Phytoniq könnte dazu beitragen, bei Voranschreiten des Klimawandels die Ernährung der Menschheit zu sichern: Gearbeitet wird an Indoor-Pflanzenfabriken, in denen Salate, Zwiebeln und andere Lebensmittel produziert werden – wobei Computer-Algorithmen für ideale Bedingungen sorgen, Roboter das Düngen übernehmen und Sensoren die Kontrolle gewährleisten. Eine erste Fabrik sowie Versuchsanlagen sollen im Jänner in Betrieb gehen, um diesen Ansatz weiter zu entwickeln.

Was wie eine düstere Zukunftsvision aus der Gedankenwelt eines H. G. Wells oder Aldous Huxley klingt, hat einen Hintergrund, der Experten zufolge durchaus Realität zu werden droht: Wenn sich die weltweiten Temperaturen weiter erhöhen und der Meeresspiegel steigt, werden zahlreiche der derzeitigen küstennahen landwirtschaftlichen Anbaugebiete überflutet werden. Gleichzeitig gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich die Menschheit weiterhin vermehrt – laut UNO-Prognosen von derzeit 7,8 auf knapp elf Milliarden Menschen in den nächsten 80 Jahren. Um bei knapper werdender Anbaufläche die Ernährung sicherzustellen, könnten Pflanzenfabriken ein Lösungsweg sein. Denn sie brauchen wenig Platz: Brokkoli und Co. wachsen übereinander in hohen Regalen mit mehreren Stockwerken, weshalb solche Indoor-Plantagen als „Vertical Farming“ bezeichnet werden.

Vier Tonnen Wasabi jährlich

Vorerst aber sollen solche Fabriken Lebensmittel liefern, die es in Europa nicht oder nur saisonabhängig gibt, erklärt Markus Tauber, Studiengangsleiter für Cloudcomputing an der FH Burgenland. Ziel sei, eine emissionssparende Alternative zum Lebensmittelimport anzubieten. So sollen in der ersten derartigen Fabrik jährlich rund 4000 Kilo Japanischer Meerrettich, auch Wasabi genannt, erzeugt werden, erklärt Martin Parapatits von der Firma Phytoniq, deren Produktionshalle auf 500 Quadratmetern rund drei Meter hoch ist.

Um das geplante Volumen zu schaffen, will man sogar die Natur übertreffen. Während Wasabi unter freiem Himmel rund zwei Jahre bis zur Erntereife benötigen, sollen sie in der Oberwarter Fabrik in nur einem Jahr so weit gedeihen. Phytoniq hat das Patent für einen Roboter erhalten, der die Setzlinge, deren Wurzeln in den Regalen frei in der Luft hängen, über Düsen mit Wasser und Dünger versorgt.

Die Steuerung des Roboters über smarte Technologie befindet sich derzeit noch im Erprobungsstadium. Dafür wird ebenfalls im Jänner an der FH eine Mini-Versuchsfabrik gestartet. „Bei der Kultivierung von Pflanzen spielen viele Parameter eine Rolle“, erklärt Tauber die Herausforderung. „So ist die ideale Nährstoffzusammensetzung abhängig vom Zustand der Pflanze, von der Umgebungstemperatur, von Luft und Licht.“

All diese und weitere Faktoren werden mit Sensoren erfasst und in den Algorithmus gespeist, der daraufhin z. B. die Geschwindigkeit der Nährstoffaufbringung durch den Roboter festlegt oder die Wellenlänge des künstlichen Lichtes optimiert. „Dieser Regelkreis ist eine praktische Anwendung für Cloud-Computing und das Internet der Dinge“, so Tauber. Die Entwicklung der Technologie wird über das Project AgriTec 4.0 des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert.

LEXIKON

Vertical Farming ist vor allem in den USA und in Asien bereits Realität, allerdings ohne die Technologie, mit der die FH-Experten aus dem Burgenland diese Art des Anbaus optimieren wollen. Als Vorteile heben Experten neben dem minimalen Platzbedarf den im Vergleich zur traditionellen Landwirtschaft geringen Verbrauch an Wasser und Düngemitteln hervor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2019)

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