Architektur

Gersthof, Hernals und Sarajewo

1892-94 erbaut: das alte Rathaus von Sarajevo im austro-islamischen Stil.
1892-94 erbaut: das alte Rathaus von Sarajevo im austro-islamischen Stil.(c) Anida Kreco
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Die Habsburger in Bosnien-Herzegowina: Hunderte Bauten zeugen noch heute von der 40-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich-Ungarn. Die jungen Architekten studierten in Wien bei Theophil Hansen, Heinrich von Ferstel und Friedrich von Schmidt.

Der „kleine habsburgische Orient“ – unter dieser Devise erlangte Bosnien-Herzegowina von 1878 bis zum Ersten Weltkrieg eine gewisse Attraktivität. Kaiser Franz Joseph wollte schon bald nach der Besetzung des Territoriums, das bis zur Annexion 1908 formell im Osmanischen Reich blieb, Zeichen österreichisch-ungarischer Präsenz setzen. Noch heute zeugen Hunderte monumentale Bauten vom architektonischen Erbe Österreichs.

„In Wien wurde Bosnien-Herzegowina als kulturell unbeackertes Land dargestellt“, sagt Maximilian Hartmuth vom Institut für Kunstgeschichte der Uni Wien. Und die österreichisch-ungarische Verwaltung wollte mit nicht unbedeutenden Investitionen Zeugnisse westlicher Kultur ins Land bringen. Hartmuth wurde vom Europäischen Forschungsrat mit dem ERC-Projekt „Islamic Architecture and Orientalizing Style in Habsburg Bosnia, 1878-1918“ ausgezeichnet, der ERC-Grant läuft bis 2023.

Auf dieses spezielle Architekturthema ist Hartmuth 2001 während seines 14-monatigen Aulandszivildienstes in Sarajewo gestoßen. „Da ist mir aufgefallen, dass Teile der Stadt wie Hernals und Gersthof ausschauen, aber hinter den Gebäuden Minarette aufragen.“ Nach dem Geschichtsstudium in Wien schloss er Studien an der Kunstuniversität Belgrad und der Koç Universität in Istanbul an und promovierte an der Sabanci Universität in Istanbul.

Bahnhöfe, Schulen, Moscheen

Bei den Objekten aus der Habsburgerzeit handelt es sich um Repräsentativbauten, Verwaltungsgebäude, Bahnhöfe, Schulen und Moscheen. Sie erinnern an die typischen Wiener Ringstraßen-Gebäude, versehen mit einem orientalischem Einschlag. Geplant wurden sie von jungen Architekten, die bei den Wiener Architekturprofessoren Theophil Hansen, Heinrich von Ferstel und Friedrich von Schmidt in die Schule gingen. Zu den bedeutendsten zählte der gebürtige Böhme Karl Parík und Josef Vancas aus Sopron, die als Wiener nach Sarajewo kamen.

Die austro-orientalischen Bauten sollten sich an dem islamischen Erbe Bosniens orientieren. Dabei hatte man sich vorerst mittelalterliche Bauformen, wie etwa die Alhambra in Granada, zum Vorbild genommen. Reich verzierte Fassaden, viel Stuck und rote Elemente dominierten. Der „pseudomaurische“ Baustil entsprach aber nicht dem Zeitgefühl, ab der Wende zum 20. Jahrhundert orientierten sich die Architekten – Hartmuth: „Die neue Generation kannte schon Otto Wagner.“ – an der tatsächlichen bosnischen Bautradition.

Zu den bekanntesten Gebäuden zählt die 1889 eröffnete Scheriatrichterschule und das ehemalige Rathaus in Sarajewo. Ein Beispiel für den politischen Hintergrund sieht der Wiener Kunsthistoriker bei dem 1898 eröffneten Gymnasium in Mostar: „Es dreht sich zur Eisenbahnstrecke hin. Die Verwaltung nutzte diesen gut sichtbaren Standort um zu zeigen, dass sie am Balkan als Zivilisierungsinstanz auftritt.“

Erste Spuren des Tourismus

Die Bauinitiative der Habsburger kostete bedeutende Finanzmittel. Diese sollten unter anderem durch eine Intensivierung des Bergbaus aber auch durch den aufkommenden Tourismus aufgebracht werden. Ilidza bei Sarajewo wurde als Kurort propagiert, und mehrere neu erbaute Hotels im gesamten Land sollten zur Besichtigung dieser kleinen orientalischen Welt der Habsburger animieren. Bei der Volkszählung 1895 entfielen 35 Prozent auf Muslime (in Sarajewo 49 Prozent), 43 Prozent auf Orthodoxe (Serben) und 21,3 Prozent auf Katholiken (Kroaten).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2019)

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