Türkis-Blau

Kassenreform hält vor Höchstgericht

Die Zusammenlegung der Kassen ist verfassungskonform, nicht aber die Eingriffe in die Selbstverwaltung.

Wien. Der Verfassungsgerichtshof hat am Freitag eine umstrittene Reform der türkis-blauen Regierung weitgehend bestätigt: Die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen ist ebenso verfassungskonform wie die neue Zusammensetzung der Führungsgremien, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nun gleich stark vertreten sind.

Gegen die Kassenreform hat es eine ganze Reihe von Beschwerden gegeben – von der SPÖ über Arbeiterkammern bis zu einzelnen Gebiets- und Betriebskrankenkassen. Die SPÖ beispielsweise hat die Zusammenlegung selbst mit dem Argument angefochten, dadurch würden Mehrkosten entstehen, dies entspreche nicht dem Prinzip einer sparsamen Verwaltung. Die Verfassungsrichter konnten das nicht nachvollziehen: Es liege im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine wenn auch bewährte Organisationsform durch eine ihm günstiger scheinende zu ersetzen. Und sie sahen auch keinen Grund, warum diese nicht wirtschaftlich und sparsam verwaltet werden könnte.

Ähnlich die Argumentation bei der Stärkung der Arbeitgeber in den Gremien: Das ASVG sehe vor, dass Dienstgeber und Dienstnehmer Angehörige der Sozialversicherung seien. Auch da gebe es einen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wie die Gremien zusammengesetzt werden.

Stärkung der Selbstverwaltung

In einigen wesentlichen Punkten hat der Verfassungsgerichtshof die Reform aber sehr wohl aufgehoben, und zwar dort, wo es um Eingriffe in die Selbstverwaltung der Kassen ging. Das betrifft vor allem die geplante Verlagerung der Beitragsprüfung zu den Finanzbehörden. Dagegen sind vor allem die Kassen selbst Sturm gelaufen, mit dem Argument, dass die Kassen anders prüfen, als die Finanz: Die Krankenkassen prüfen, ob Löhne in korrekter Höhe ausgezahlt werden, die Finanz nur, ob alle Abgaben bezahlt werden. Der VfGH gab ihnen darin recht: Es widerspreche den Organisationsprinzipien der Selbstverwaltung, wenn ihr jeder Einfluss auf Art und Umfang der Beitragsprüfung genommen werde.

Ebenfalls zu weit gingen den Verfassungsrichtern die Möglichkeiten des Ministeriums, Beschlüsse der Gremien zu beeinspruchen. Die seien praktisch auf die gesamte Gebarung der Sozialversicherung erstreckt worden, was das Maß des Erforderlichen übersteige. Und noch eine Bestimmung wurde gekippt: Der Eignungstest für Funktionäre kommt nicht. Denn damit werde die Bestellung der Organe nach demokratischen Grundsätzen unterlaufen. Entsandt werden die Funktionäre von der Arbeiterkammer, die argumentiert hat, es gebe ja auch keinen Eignungstest für Parlamentarier.

Gewerkschaft unzufrieden

Vertreter von SPÖ und FPÖ zeigten sich zufrieden über die Entscheidung der Verfassungsrichter. Kritik kam von der Gewerkschaft: Dass die Arbeitgeber zu 50 Prozent über die Leistungen für Versicherte entscheiden, sei „nicht verständlich und ein herber Rückschlag für 7,2 Millionen Versicherte“, sagte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagte, das Erkenntnis des VfGH sei zu respektieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2019)

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