Weihnachtslied für eine Leiche

Die Katze war’s wohl nicht: Mörderraten ist beliebt, vor allem zu Weihnachten.
Die Katze war’s wohl nicht: Mörderraten ist beliebt, vor allem zu Weihnachten.Getty Images
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Alle Jahre wieder die besten Krimi-Empfehlungen für das Fest: von angesagten Spionageromanen über alte und neue Klassiker bis zum heißen Landestipp Australien.

Weihnachten ohne Krimis geht für viele passionierte Leser gar nicht – sei es als Geschenk, sei es als Selbstbelohnung für die ruhigen Tage nach hektischen Festivitäten. „Die Presse am Sonntag“ hätte dazu, wie alle Jahre wieder, die eine oder andere Empfehlung.

Unter den Trends des Krimijahres 2019 sticht unter anderem die Renaissance des Spionageromans hervor. Die Angst vor der datengetriebenen Omnipotenz unsichtbarer Machtkomplexe befeuert die Fantasie der Autoren und die Kauflust der Leser. Wobei eines klar ist: Brexit hin oder her, niemand schreibt über Spionage so gekonnt wie die Briten. Das zeigen zwei Altmeister: John Le Carré setzte sich mit „Federball“ umgehend an die Spitze der deutschen Krimi-Bestenliste, Frederick Forsyth schrieb mit „Der Fuchs“ laut eigenen Angaben sein letztes – und sehr feines – Buch. Doch auch die neue Generation beeindruckt: etwa Mick Herron mit „Dead Lions“ rund um seine Truppe ausrangierter Spione; oder Adam Brookes mit „Der chinesische Verräter“.

Wer Spionage mag, hat oft auch ein Herz für Krimiklassiker, und auch hier war 2019 ein gutes Jahr. Von den großen Namen lässt der Schotte Ian Rankin mit John Rebus den Ur-Vater sozial verwüsteter, aber moralisch intakter Ermittler, wieder auf Pirsch gehen („Das Haus der Lügen“). Wie oft bei Rankin haben alle etwas zu verbergen, auch Rebus selbst.


Mord beim Curling. Für frisches Blut (im wahren Sinn des Worts) bei den klassischen Krimis sorgt die Kanadierin Louise Penny. Der letzte (auf Deutsch erschienene) Teil ihrer Serie in dem idyllisch klingenden Three Pines rund um Kommissar Armand Gamache heißt ganz weihnachtlich „Tief eingeschneit“. Um einen spannenden Krimi rund um einen Mord beim Curling zu schreiben, braucht es schon besonderes Talent – und das hat Louise Penny auf jeden Fall.

Aus der hartgesottenen Ecke gab es 2019 auch zwei Glanzlichter: Don Winslow legte mit „Jahre des Jägers“ das lang ersehnte Finale seines Epos über den mexikanisch-amerikanischen Drogenkrieg vor. Und James Lee Burke, der große Mann des Südstaaten-Thrillers, lässt in „Mein Name ist Robicheaux“ seinen Helden wieder mal in Schwierigkeiten geraten.

Erfreulich ist im Gegenzug, dass auch die ganz Leisen in der Kriminalliteratur immer lauter zu hören sind, allen voran der Großmeister der täuschenden Ereignislosigkeit, der israelische Autor Dror Mishani. In „Drei“ muss er kaum die Stimme erheben oder einen Finger krumm machen, damit es einen gründlich schaudert.

Ein Thema, das es der Spannungsliteratur derzeit angetan hat, findet sich am Kreuzungspunkt zwischen Rassismus und Politik. Thomas Mullen siedelt „Weißes Feuer“ sowohl chronologisch als auch geografisch wenig überraschend im Atlanta der frühen 1950er-Jahre an. Die Fortsetzung von „Darktown“ verfolgt den harten Weg der ersten afroamerikanischen Polizisten. Überraschender ist der augenscheinlich rassistisch motivierte Mord in „Morduntersuchungskommission“von Max Annas verortet: Es ist nämlich 1983 und es ist die DDR. Otto Castorp von der Morduntersuchungskommission in Gera ermittelt.


Klima-Killer. Wer gern per Krimi durch die Welt reist, dem sei Australien als heißer Tipp ans Herz gelegt – tatsächlich, denn das unbarmherzige Klima ist in vielen Romanen aus „down under“ ein bestimmender Faktor. Herausragend ist Garry Disher – egal ob er aus Sicht eines Polizisten erzählt („Kaltes Licht“) oder aus Sicht seiner Kultfigur, dem Berufsverbrecher Wyatt („Hitze“). Auch Jane Harper („Zu Staub“) und Chris Hammer („Outback“) haben ein Faible für den Konnex zwischen Naturextremen und kriminellen Taten.

Neu Erschienen

John Le Carré
Federball
übersetzt von Peter Torberg
Ullstein Verlag
352 Seiten
24,70 Euro

Garry Disher
Hitze
übersetzt von A. Laina, A. Müller
Pulp Master
278 Seiten
22,70 Euro

Louise Penny
Tief eingeschneit
übersetzt von A. Stumpf, G. Werbeck
Kampa Verlag
448 Seiten
17,40 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2019)

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