Glaubensfrage

Noch neun Mal schlafen!

Adventkranz mit drei brennenden Kerzen.
Adventkranz mit drei brennenden Kerzen. (c) imago/blickwinkel (McPHOTO/M. Gann)
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Noch neun Mal schlafen, wissen Kinder (und die es im Herzen geblieben sind). Freut euch heißt es am dritten Adventsonntag. Weshalb nur fällt das so schwer?

Advent gilt christlicherseits als Zeit der Buße. Nicht allen, die in diesen langen Nächten zwischen nicht nur ästhetisch anspruchslosen Punschhüttchen taumeln, wird es auf Anhieb bewusst sein. Unter Buße haben die Kirchenväter auch nicht verstanden, dass Sünden beim Einkauf unter Bedingungen der Massenhysterie abgebüßt werden.

Zu büßen hatte übrigens, wenn wir schon wie von unsichtbarer Hand geführt, beim Thema sind, der Kolumnenautor: Unlängst ist an dieser Stelle ein betrübliches Missgeschick passiert. Nach sechs wie unendlich empfundenen Jahren Latein-Unterrichts – es muss vor sechs Jahren oder so gewesen sein – dürfte es doch keine Schwierigkeit darstellen, fehlerfrei von einem decennium horribile (der Kirche wegen der Missbrauchskrise) zu schreiben. Weit gefehlt. Dankenswerterweise haben Leser/User mehr oder weniger (das mehr) verständnisvoll auf einen Lapsus aufmerksam gemacht. Errare humanum est. Ob das Ego te absolvo folgt? Aus.

Zurück zur Buße: Am vorletzten Sonntag vor Weihnachten wird die Bußzeit mit der rosa Kerze des Adventkranzes unterbrochen. Gaudete! Schon wieder Latein, was soll man machen? Freut Euch! So wird dieser Tag im katholischen liturgischen Kalender genannt. Wer ein Faible für Rosa hat, sollte schleunigst noch am Sonntag eine Messe besuchen und sich an den in dieser Farbe (und sonst nur noch am vierten Fastensonntag) ausgeführten Messgewändern erfreuen. Freut Euch!

Freude an und in der Kirche ist abgesehen davon ein schwieriges Thema. Dabei ist der Mann, der als Nachfolger des Petrus gesehen wird und an der Spitze des katholischen Organigramms steht, nicht jemand, von dem man sagen könnte, er ginge in die Katakomben lachen. Im Gegenteil, Papst Franziskus verströmt Freude an seiner Botschaft, wie sie sonst oft vermisst wird.

Natürlich gibt es Priester, die erkennbar Freude am Leben (und am Leben in der Kirche) haben. In Erinnerung ist ein Gespräch mit einem Kleriker, der zwar brav sein Kollar tragen zu müssen glaubt, aber zu lachen vermag. So richtig. In Gesellschaft, wenn sich der eine Tag schon geneigt und der andere sich aufzurichten beginnt, bei einem Glas Wein sogar beinahe unschicklich laut.

Gleichfalls in Erinnerung ist ein vor gar nicht so langer Zeit geführtes Gespräch mit einem anderen Kleriker, Typus ängstlich. Er scheint gefangen zwischen Ansprüchen von ganz oben, von oben (Hierarchie), unten (Basis) und irgendwo dazwischen den eigenen. Da kann keine echte Freude aufkommen. Was hat er zu befürchten? Priester, auch Bischöfe können sich unter diesem Bischof von Rom frei bewegen wie schon lang nicht. Ist das Zitat Friedrich Nietzsches zu abgegriffen? „Die Christen müssten mir erlöster aussehen.“

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2019)

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