Kunstmarkt

Markt entdeckt die Moderne Osteuropas

„Seated Woman“ von Emil Filla erzielte 2017 bei Sotheby’s den Rekord von 729.000 Pfund.
„Seated Woman“ von Emil Filla erzielte 2017 bei Sotheby’s den Rekord von 729.000 Pfund.Sotheby's
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In Osteuropa gab es Anfang des 20. Jahrhunderts eine starke Avantgarde. Im Westen entwickelt sich jetzt ein Markt dafür.

Es sind Künstler wie Emil Filla, Frantisek Kupka, Laszlo Moholy-Nagy oder János Mattis-Teutsch, denen Tessa Kostrzewa, Expertin für Kunst Mittel- und Osteuropas bei Sotheby's, ihre Aufmerksamkeit widmet. Es ist ihr ein Anliegen, diese Kunst bekannter zu machen und für den Markt aufzubereiten. Seit 1999 macht Sotheby's eine gesonderte Auktion für die Kunst Zentraleuropas. „Die ehemaligen Ostblockländer haben im frühen 20. Jahrhundert hervorragende Künstler hervorgebracht. Doch es mangelt ihnen an internationaler Bekanntheit. Erst nach dem Mauerfall erlangten einige von ihnen auf dem westlichen Kunstmarkt die ihnen gebührende Aufmerksamkeit“, sagt Kostrzewa im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.

Dabei hätten sich die Märkte sehr unterschiedlich entwickelt. Am stärksten und stabilsten habe sich die tschechische Kunst entwickelt. „Der Markt für tschechische moderne Kunst ist heute recht international, mit starker Nachfrage aus Frankreich, Osteuropa und Tschechien“, sagt die Expertin. Im frühen 20. Jahrhundert gingen viele tschechische, aber auch ungarische Künstler und Intellektuelle nach Paris und wurden beeinflusst von den avantgardistischen Strömungen wie dem Kubismus, dem Surrealismus oder dem Expressionismus. „So war Emil Filla eng mit Pablo Picasso verbunden. Er hat unter anderem Arbeiten von Picasso an tschechische Käufer vermittelt“, so Kostrzewa. Umgekehrt sei Filla ebenso wie Kupka in der Pariser Kunstszene gut vernetzt gewesen. Daher befinden sich auch viele Arbeiten tschechischer Künstler in französischen Sammlungen.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begann sich das Interesse vor allem an tschechischem Kubismus und Surrealismus global auszuweiten. Dennoch sind die Preise verglichen mit den französischen Kollegen weit abgeschlagen. „Zu den teuersten Künstlern gehört Kupka. Da können Arbeiten zwei bis drei Millionen Euro kosten“, so Kostrzewa. Bei den Surrealisten dominiert Toyen, die eigentlich Marie Čermínová heißt und als bedeutendste tschechische Malerin des 20. Jahrhunderts gilt. Sie schloss sich in Paris dem Kreis um André Breton an. Laut der Kunstpreisdatenbank Artprice liegt der höchste Zuschlag bei 1,1 Millionen Euro, erzielt 2017 in einem tschechischen Auktionshaus. Hohe Preise erreiche zudem auch Filla. Sotheby's verbuchte 2017 den Höchstpreis mit umgerechnet 674.100 Euro. Gefragt sind noch Arbeiten von Frantisek Foltyn, Josef Capek oder auch Jindrich Styrsky.

Volatiler Markt. „Der Markt für ungarische Kunst ist recht volatil. Und die meisten Künstler sind kaum über die Grenzen Ungarns hinweg bekannt“, sagt die Sotheby's-Expertin. Zwischen 2004 und 2007 habe es einen Aufschwung gegeben, weil sich einige US-Sammler für die Ungarn interessiert und gekauft hätten. Doch das sei mit der Finanzkrise ab 2008 wieder abgerissen. „Jetzt geht es langsam wieder aufwärts.“ Wer sich für ungarische Avantgarde interessiert, bekomme sehr gute Kunst für wenig Geld, beurteilt Kostrzewa. Bei den Ungarn gehört einerseits die Gruppe „Die Acht“, die aus Károly Kernstok, Béla Czóbel, Róbert Berény, Ödön Márffy, Lajos Tihanyi, Dezsö Orbán, Bertalan Pór und Dezsö Czigány besteht, zu den bedeutenden Künstlern der Avantgarde. Sie studierten ebenfalls in Paris und führten die ungarische Kunst, beeinflusst von den Fauves, der Malerei eines Paul Cézannes und dem Kubismus von Picasso und Georges Braques, in die Moderne.

Neben den Acht zählen zu den kunsthistorisch wichtigen Künstlern Janos Mattis-Teutsch, Imre Szobotka und Béla Kádár. Andererseits gab es jene Künstler, die nach Österreich und Deutschland gingen und sich dem Bauhaus anschlossen. So bildeten die Ungarn am Bauhaus in Weimar die drittstärkste nationale Gruppe, nach Schweizern und Österreichern. Hier zählen der Architekt Marcel Breuer, László Moholy-Nagy und Lajos Kassak zu den auch im Westen bekanntesten Namen. „Preislich ist das Niveau recht niedrig. Eine Ausnahme ist Moholy-Nagy, der die Millionengrenze überschritten hat. Aber selbst Arbeiten von Kassak erzielen kaum mehr als 50.000 Pfund“, sagt Kostrzewa. Der Rekord für Moholy-Nagy liegt bei umgerechnet 4,8 Millionen Euro, erzielt 2016 von Sotheby's. Bei den Ungarn sei die Provenienz wichtig, weil viele Fälschungen am Markt seien, warnt die Sotheby's-Expertin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2019)

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