Wort der Woche

Was geschieht mit dem Lithium?

Was geschieht mit Lithium aus Akkus, die nicht sachgerecht entsorgt werden? Richtig geraten: Das Metall landet in der Umwelt, wie koreanische Forscher nun beweisen konnten.

Noch vor 20 Jahren war Lithium kaum jemandem bekannt. Zwar hatten wohl viele den Namen dieses hochreaktiven chemischen Elements im Chemieunterricht aufgeschnappt, weil es mit der Ordnungszahl 3 im Periodensystem eine prominente Stellung einnimmt. Doch was man mit Lithium macht, war nur wenigen geläufig – damals wurde es in der Metallurgie, in Ceran-Kochfeldern, in der Atomforschung und in der Medizin eingesetzt. Das ist heute ganz anders: Mit dem Siegeszug mobiler Elektronik (Laptops, Handys etc.) und nun der Elektromobilität sind Lithium-Ionen-Akkus allgegenwärtig. Die Nachfrage wächst jährlich um rund 20 Prozent. Zwei Drittel des Lithiums werden in ausgetrockneten Salzseen gewonnen (etwa in Chile oder China), der Rest durch Bergbau (auch in Kärnten wird derzeit eine Lagerstätte untersucht).

Was geschieht mit den Akkus am Ende ihrer Nutzungs- und Lebensdauer? Eine Zeit lang können sie noch als stationäre Stromspeicher dienen. Dann könnte das wertvolle Metall eigentlich recycelt werden. Allerdings gibt es bisher – trotz viel Forschung, u. a. an der Montan-Uni Leoben – kein wirtschaftliches Verfahren dafür. Folglich wird weltweit nur ein Bruchteil der Handys etc. sachgerecht entsorgt.

Das Lithium landet daher – richtig geraten – in der Umwelt. Koreanische Forscher um Hye-Bin Choi haben nun nachgewiesen, dass der Lithiumgehalt des Flusses Han um das Sechsfache ansteigt, während er durch die Großstadtregion Seoul fließt (Nature Communications, 3. 12.). Anhand des Isotopenverhältnisses konnten sie zudem beweisen, dass dafür der Mensch verantwortlich ist – einerseits durch Medikamente gegen bipolare Störungen, andererseits eben durch weggeworfene Akkus.

Ob das schädlich für Mensch und Umwelt ist, weiß derzeit niemand. Es gibt Hinweise, dass hohe Lithiummengen auf Wasserlebewesen toxisch wirken, auch der Mensch reagiert auf größere Dosen mit Vergiftungssymptomen. Manche Studien indes bringen einen zu geringen Lithiumgehalt in Trinkwasser mit erhöhten Suizidraten in Verbindung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sah jedenfalls bisher keinen Grund, Lithium zu regulieren. Angesichts ihrer Ergebnisse drängen die koreanischen Forscher nun darauf, die Lithiumkonzentrationen in der Umwelt weltweit zu beobachten und die biologischen Folgen zu untersuchen.

Die – ohnehin schon lange – Liste an Einflüssen des Menschen auf die Umwelt ist jedenfalls um einen weiteren Eintrag länger geworden.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2019)

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