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Langer Prozess: Woran die Justiz (auch) krankt

Manche Aktenbände sind bei Gericht eher Aktenstapel.
Manche Aktenbände sind bei Gericht eher Aktenstapel.(c) Clemens Fabry
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Ein Wiener Unternehmer ist wegen eines Bauprojekts in ein Bündel jahrelanger Zivilprozesse verstrickt. Er macht Richterwechsel, antiquierte Abläufe und „Wahnsinnszinsen“ dafür verantwortlich. Die Digitalisierung kommt, aber langsam.

Wien. Die Justiz sterbe einen „stillen Tod“. Experten-Justizminister und Vizekanzler Clemens Jabloner hat jüngst in einem Wahrnehmungsbericht dieses von ihm geprägte Wort nochmals aufgegriffen und unter anderem beklagt: „Das Niedersparen des gerichtlichen Fachdiensts hat in den vergangenen fünf Jahren zum Verlust von über 300 Planstellen geführt. Das hat die Leistungsfähigkeit der Gerichte schwer beeinträchtigt, ein Umstand, den die breite Bevölkerung bereits täglich verspürt.“ Es gibt aber auch hausgemachte Probleme, welche die Leistung hemmen. Diese Meinung vertritt Thomas Dirnbacher, 70-jähriger Wiener, der seit zehn Jahren in ein Bündel von Prozessen am Handelsgericht Wien verstrickt ist – und über die Arbeitsweise der Justiz fassungslos ist.

„Jedes Unternehmen, das so organisiert ist wie das Handelsgericht Wien, wäre längst pleite“, sagt Dirnbacher zur „Presse“. Er hat sein Geld unter anderem mit dem kostensparenden Managen großer Bauvorhaben gegen Erfolgsbeteiligung verdient. So hat er seinen Blick für Sparen und Effizienz geschärft. Ein kleines eigenes Wohnbauprojekt in Wien-Hietzing ist allerdings weniger gut gelaufen – Dirnbacher macht dafür den seinerzeitigen Architekten verantwortlich (und den Umstand, dass die meisten beteiligten Unternehmen rechtsschutzversichert sind und den Rechtsweg einvernehmlichen Lösungen vorziehen). Weil der Bau nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, wurde Dirnbacher zehnfach von Geschäftspartnern geklagt, auch er selbst brachte Klagen gegen sie ein.

Zehn Jahre später sind noch immer nicht alle Verfahren abgeschlossen. Dirnbacher führt das auf wiederholte Richterwechsel, eine ineffiziente Terminplanung, die altertümliche Aktenführung und die umständliche Berechnung der Verfahrenskosten zurück. Auch die gesetzlich vorgegebenen „Wahnsinnszinsen“, die Schuldner im Fall einer Verurteilung zahlen müssten, trügen zur Verschleppung von Verfahren bei.

Häufige Richterwechsel

Dirnbacher hat mehrmals erlebt, wie Richter und Richterinnen in die Pension, den Mutterschutz oder eine höhere Instanz gewechselt sind. Weniger oft sei es dabei zu einer geordneten Übergabe gekommen: Vielmehr habe es jedes Mal etliche Monate gedauert, bis klar wurde, wer das jeweilige Verfahren übernehmen würde.

Maria Wittmann-Tiwald, Präsidentin des HG Wien, bestätigt auf Anfrage der „Presse“, dass Richterwechsel immer zu Verzögerungen führen. An ihrem Gericht arbeiten auch relativ viele junge Richterinnen, sodass es mehr Karenzen gibt. Verfahren davor noch zu Ende zu führen könne aber zum Beispiel daran scheitern, dass die Richterin auf ein Sachverständigengutachten warten muss. Bei Pensionierungen wiederum sei eine vorausschauende Planung oft schon deshalb schwierig, weil nicht klar ist, ob die Stelle nachbesetzt wird oder die Akten auf das verbleibende Personal aufgeteilt werden müssen.

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