Umweltschutz

Die große Enttäuschung von Madrid

Chiles Umweltministerin und Konferenzvorsitzende Carolina Schmidt konnte nichts Bahnbrechendes verkünden.
Chiles Umweltministerin und Konferenzvorsitzende Carolina Schmidt konnte nichts Bahnbrechendes verkünden.APA/AFP/OSCAR DEL POZO
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Zwei Wochen lang verhandelten knapp 200 Staaten auf dem UN-Klimagipfel. Die Erwartungen waren groß, am Ende ging man aber ohne konkrete Ergebnisse auseinander.

Wien/Madrid. Greta Thunberg, Harrison Ford und Michael Bloomberg. Sie alle reisten in den vergangenen beiden Wochen nach Madrid, um die Weltgemeinschaft daran zu erinnern, dass es in Sachen Klimaschutz weder Kompromisse noch Abstriche geben dürfe. Nicht nur ihre Appelle, sondern auch die der Wissenschaftler verhallten letztlich ungehört. Denn der Madrider UN-Klimagipfel ging am Sonntag ohne konkrete Ergebnisse zu Ende. Und das, obwohl die Konferenz in eine über 40-stündige Verlängerung ging.

Unter anderem wurde nun nur die Notwendigkeit anerkannt, dass alle Länder ihre nationalen Klimaschutzziele verschärfen sollen. Die Hoffnung von Entwicklungsländern und Inselstaaten auf einen eigenen internationalen Fonds zur Bewältigung von bereits eintretenden klimabedingten Schäden und Verlusten erfüllte sich nicht. Die Idee einer Öffnung des bereits bestehenden Grünen Klimafonds, der Gelder für Klimaschutzmaßnahmen und für die Anpassung an die Erderwärmung bereitstellt, blieb im Beschlusstext vage.

Zu keiner Einigung kam es bei der Ausgestaltung von Artikel 6 des sogenannten Regelbuchs von Paris, das die konkrete Umsetzung des Klimaabkommens beschreibt. Schon im vergangenen Jahr hatte man die Verhandlungen auf die diesjährige Weltklimakonferenz vertagt, nun wird das Thema den Gipfel im kommenden Jahr in Glasgow beschäftigen.

Wichtiger Punkt verschoben

Konkret geht es bei diesem Punkt um die Frage, über welche Mechanismen Länder ihre CO2-Reduktionsziele außerhalb der eigenen Landesgrenzen erfüllen dürfen. Vielen Ländern gefällt die Idee, CO2-Einsparungen anderer Staaten aufzukaufen und sich so teurere Klimaschutzmaßnahmen zuhause zu ersparen. So könnte etwa ein Industrieland ein Solarkraftwerk in einem afrikanischen Land finanzieren, um dort die Nutzung fossiler Energieträger zu verringern, und sich diese Emissionseinsparung dann anrechnen lassen.

Besonders umstritten ist, ob unter dem Kyoto-Protokoll (der Vorgänger von Paris) vergebene Zertifikate nun weiter gelten sollen. Darum kämpften insbesondere Brasilien, aber auch die USA, Australien oder Indien. Die EU stemmte sich jedoch dagegen. Das alte System gilt nicht nur als anfällig für Betrug, sondern kann auch Doppelzählungen nicht verhindern. UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich jedenfalls enttäuscht über die Ergebnisse von Madrid: Die internationale Gemeinschaft habe eine wichtige Gelegenheit verstreichen lassen, mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Klimakrise zu zeigen, schrieb er via Twitter. „Aber wir dürfen nicht aufgeben. Und ich werde nicht aufgeben.“

Die Umweltschutzorganisationen reagierten fassungslos angesichts des Resultats. „Der unüberhörbare moralische Appell einer ganzen Generation wurde heute von den Mächtigen der Welt ignoriert“, verlautbarte Greenpeace in einer Stellungnahme. Der WWF sprach von einer „Katastrophe für das Klima und einer Bankrotterklärung der Politik“. Die Weltgemeinschaft scheitere derzeit sogar an Minimalkompromissen, „von ambitionierten Maßnahmen ganz zu schweigen.“ Angesichts des medialen Interesses war der Druck auf die Verhandler in diesem Jahr besonders groß. Viele hofften, dass vom Treffen in Madrid ein klares Signal ausgehen würde.

Hoffen auf Glasgow

Nun muss sich die Welt bis zum kommenden Jahr gedulden und auf den Gipfel im November in Glasgow warten. 2020 steht nicht nur eine Überarbeitung der Reduktionsverpflichtungen an, sondern es treten auch die Vereinbarungen des Pariser Klimagipfels aus dem Jahr 2015 in Kraft, die alle Länder zum Klimaschutz verpflichten. „2020 müssen wir liefern, was die Wissenschaft als Muss festgeschrieben hat, oder wir und alle folgenden Generationen werden einen unerträglichen Preis zahlen“, mahnt Guterres. In Paris hat man sich darauf verständigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber 1,5 Grad, im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.

Macht die Staatengemeinschaft, trotz aller bisher getätigter Zusagen, so weiter wie bisher, steuert die Welt jedoch auf eine Erderwärmung von mehr als drei Grad zu. (ag./nst)

AUF EINEN BLICK

Die UN-Klimakonferenz 2019 (COP25) von Madrid wollte das sogenannte Regelbuch von Paris fertigstellen. Als großer Knackpunkt erwies sich dabei, wie erwartet, Artikel sechs. Dieser beschäftigt sich mit den Emissionshandelssystemen. Wie schon im Vorjahr, kam man auch diesmal zu keiner Übereinkunft. Nun liegen die Hoffnungen auf dem nächsten Gipfel in Glasgow.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2019)

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