Halka

Polens Nationaloper im Solidarność-Gewand

(C) Monika Rittershaus
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Moniuszkos „Halka“, inszeniert als düstere Sozialstudie aus der Ära des Kommunismus. Piotr Beczała steht im Zentrum des Jubels.

Noch ist Polen nicht verloren, wollte man spontan ausrufen: Bis weit in den zweiten Akt hinein dauerte es, bis der zuvor nur stumm ins düstere Spiel involvierte Piotr Beczała als verschmähter Liebhaber Jontek zu singen begann. Das brachte endlich tenorale Gefühlsaufwallung und überhaupt pralles Opernleben in die bis dahin mehr wackere als fesselnde Unternehmung, Stanisław Moniuszkos „Halka“ auf die Bühne des Theaters an der Wien zu holen, ein hierzulande als Rarität firmierendes Werk. 1858 ging im russisch besetzten Warschau dessen definitive vieraktige Version erstmals über die Bühne – und diese Fassung liegt auch der aktuellen Koproduktion mit dem Warschauer Teatr Wielki (Opera Narodowa) zugrunde.

Anfangs sogar untermauert durch internationale Erfolge, dann jedoch im restlichen Europa bald vergessen, konnte Moniuszkos Werk den Rang einer polnischen Nationaloper erringen – erst recht zu einer Zeit, da Polen von der Landkarte getilgt war. Das unter Fremdherrschaft stehende polnische Volk identifizierte sich desto intensiver mit dem Bauernmädchen Halka, das vom reichen Junker Janusz ausgenutzt wird. Von ihm schwanger, muss sie miterleben, wie er eine Schlossherrentochter heiratet. Die lange, stille Liebe, die ihr Jugendfreund Jontek für sie hegt, vermag sie weder zu erwidern noch taugte sie ihr als Trost: Halka stürzt sich in den Tod.

Moniuszko greift dafür den Stil der Mitte des 19. Jahrhunderts auf, orientiert sich zum Beispiel an Weber, Mendelssohn oder Lortzing sowie an geschmeidigem Belcanto italienischer wie französischer Prägung und verabreicht dem Ganzen vor allem Infusionen aus kraftvollen Nationaltänzen und melancholischen Volksmusikanklängen.

Schwarz-Weiß-Bilder und -Kostüme

Den historischen polnischen Konflikt zwischen adeligen Unterdrückern und ausgebeuteten Bauern, der 1846 neu aufgeflammt war, aber wollte Regisseur Mariusz Treliński nicht ein weiteres Mal erzählen. Er versetzt die Story lieber in die effektive Zweiklassengesellschaft des real existierenden Sozialismus der 1970er-Jahre. Das hat seine Meriten: Eine grundlegende Tristesse spricht aus den Schwarz-Weiß-Bildern und -Kostümen, in denen Treliński eine Art Film noir inszeniert. Das Hotel als Spielort ist gewiss keine Novität in zeitgenössischen Operndeutungen, aber erweist sich hier glaubwürdig als beinah einheitlicher Schauplatz. Es geht freilich nicht um Gäste, sondern um den Besitzer Stolnik, seine Tochter Zofia, den Schwiegersohn in spe, Janusz, und die einfachen Angestellten rund um den Festsaal, darunter Zimmermädchen Halka und Kellner Jontek. Auf Boris Kudličkas Drehbühne umkreisen wir fast ständig die discofreudige Gesellschaft jener, die sich's im Kommunismus richten konnten: gachblonde Pilzköpfe feiern mit Schlaghosen und auf Plateausohlen Hochzeitsparty. Was für ein Kontrast zum Servicepersonal unter Stolniks Fuchtel, das auch Erdäpfel schält oder sich vor dem Hinterausgang eine Zigarettenpause gönnt: Mit ihren dunklen Frisuren und buschigen Bärten scheinen die Männer direkt einer Solidarność-Versammlung entsprungen.

Außerdem verschwimmen aus der Sicht von Janusz, dem gebrochenen Antihelden im Zentrum, Vergangenheit und Gegenwart. Mit düsterem Krachen vom Tonband beginnt jeder der vier Akte, am Anfang und nach der Pause ist die Spurensicherung in derselben stummen Szene am Werk: Halka ist tot, die Ermittlungen laufen. Der Wagnerrecke und verdiente Opernbösewicht Tomasz Konieczny gibt den skrupellosen, doch getriebenen Aufsteiger Janusz mit seinem manchmal durch Mark und Bein gehenden Bariton – aber insgesamt zeichnet er dieses Porträt doch eher routiniert als inspiriert.

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