Reform

Sozialhilfe: VfGH demontiert türkis-blaues Prestigeprojekt

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Symbolbild. (c) Clemens Fabry
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Ein weiteres Kernprojekt der ÖVP-FPÖ-Regierung ist aufgehoben. Das birgt auch Sprengstoff für die Koalitionsverhandler von Türkis-Grün.

Wien. Nach dem Sicherheitspaket und Teilen der Krankenkassenreform hat der Verfassungsgerichtshof nun ein Kernprojekt der türkis-blauen Regierung gekippt: die Reform der Sozialhilfe.

1 Was genau hat der Verfassungsgerichtshof entschieden?

Das Sozialhilfegesetz selbst ist nicht aufgehoben und in einem wesentlichen Punkt sogar ausdrücklich bestätigt: Der Bund darf den Ländern Vorgaben dazu machen, wie sie die Sozialhilfe gestalten müssen. Das war von etlichen Ländervertretern angezweifelt worden. Wohl aber hat der VfGH drei zentrale Bestimmungen des Gesetzes gekippt: die Kürzung bei kinderreichen Familien, die Kürzung bei Asylberechtigten sowie das Statistikgesetz.
Das Gesetz hat die Zuwendungen für Kinder degressiv gestaltet, ab dem dritten Kind soll es nur noch 47 Euro geben. Das ist „sachlich nicht gerechtfertigt“, und könne dazu führen, dass bei Mehrkindfamilien der notwendige Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist, sagen die Höchstrichter.

Die auf Asylberechtigte abzielende Bestimmung, wonach die volle Sozialhilfe an gute Deutsch- oder Englischkenntnisse geknüpft ist, betrachtet der VfGH als „nicht sachgerecht“. Laut Gesetz wird bei schlechteren Sprachkenntnissen der „Arbeitsqualifizierungsbonus“ von 300 Euro abgezogen und für Sprachkurse verwendet. Das sei aber schon deshalb unsachlich, weil keine Gründe ersichtlich seien, warum nur bei Sprachkenntnissen auf diesem hohen Niveau eine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt anzunehmen sein soll, so die Höchstrichter.
Schließlich ist auch das Statistikgesetz verfassungswidrig, demzufolge genaue Daten über die Herkunft von Sozialhilfebeziehern gesammelt werden sollten. Das verstoße gegen den Datenschutz.

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