Netflix-Serie

„The Witcher“: Jäger der missverstandenen Monster

(c) Netflix/Katalin Vermes
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In der aufwendigen Fantasy-Serie „The Witcher“ spielt Ex-Superman Henry Cavill einen Hexer. Die Netflix-Produktion möchte die Nachfolge von „Game of Thrones“ antreten.

Varianten dieser Szene kennt man aus diversen Filmen: Ein Mann geht in eine Bar, bestellt etwas zu trinken oder will eine Auskunft. Der Barmann gibt ihm zu verstehen, dass er hier nicht erwünscht ist und lieber wieder gehen solle. Der Mann stellt sich stur. Es kommt zu einem Streit, dann zu einem Kampf und am Schluss ist der Mann der einzige, der noch steht. Ähnlich beginnt auch die Fantasy-Serie „The Witcher“. Bloß endet der Konflikt hier nicht mit Gewalt, sondern mit einem Bier für den Unerwünschten, der Geralt von Riva heißt. Dafür sorgt Renfri – hübsch, trinkfest und offenbar Anführerin der Bande, die Stunk machen wollte.

Diese Abwandlung eines gängigen Erzählbausteins ist typisch für das Netflix-Prestigeprojekt mit Ex-Superman Henry Cavill in der Hauptrolle. Figuren aus Märchen und Sagen beleben die Welt des Hexers, aber sie werden umgedeutet: Die Elfen sind ein armes, vertriebenes Volk, Schneewittchen ein missbrauchtes Mädchen auf Rachefeldzug. Geralt selbst, klassischer Held im Antiheldenkostüm, besteht darauf, nicht Mensch genannt zu werden. Also nennt man ihn Mutant. Schon seine ungewöhnlich weißen Haare deuten an, dass er nicht ganz naturbelassen ist. Ein einsamer Wolf, der Monster für Geld jagt.

(c) Netflix/Katalin Vermes

Er habe sich immer gefragt, warum Ungeheuer in Märchen von einfachen Leute getötet werden, erzählte der Vorlagenautor Andrzej Sapkowski einmal. Es müsse dafür doch Spezialisten geben – und erfand so den Hexer. Inzwischen umfasst die „Geralt-Saga“ des Polen fünf Romane, zwei Kurzgeschichtenbände und mehrere Computerspiele.

(c) Netflix/Katalin Vermes

Wie genau Geralt vom Knaben zum Monsterjäger verwandelt wurde, erfährt man in den ersten Folgen von „The Witcher“ nicht. Auch die Romane geben über Geralts Vergangenheit nur zögerlich Auskunft, obwohl sie vorrangig aus seiner Perspektive erzählt werden. Im Gegensatz zur Serie, was ein Vorteil der Bildschirmfassung ist. Dadurch sind die zwei weiteren Hauptfiguren, die elternlose Prinzessin Ciri (Freya Allan) und die ehrgeizige Hexe Yennefer (Anya Chalotra), vielschichtiger als in den Romanen, wo man sie durch die Augen des als gefühlskalt beschriebenen Hexers sieht.

Weder die grimmige, mitunter parodistische Vorlage noch die Adaption nehmen den Zuseher an der Hand, vielmehr wird man hineingeworfen in eine Welt, in der Königreiche Kriege ausfechten, ohne dass man den Grund dafür kennt. Selbst die zeitliche Verortung ist nicht eindeutig. Man muss aufpassen, um mitzukommen. Darin ähnelt „The Witcher“ der heuer zu Ende gegangenen HBO-Serie „Game of Thrones“, an der man sich fraglos orientiert hat. Die Netflix-Produktion möchte deren Erbe antreten – und die Konkurrenz von Amazon ausstechen, wo eine „Herr der Ringe“-Serie in Arbeit ist.

Zwar fließen in beiden Serien Blut und Hüllen fallen schnell. Im Gegensatz zu „Game of Thrones“, wo übernatürliche Elemente aus der Vorlage bewusst gestrichen wurden, versteckt „The Witcher“ seine Fantasy-Herkunft nicht. Warum auch, das einst belächelte Genre ist längst im Mainstream angekommen. Für die epische Breite des Vorbilds fehlt „The Witcher“ schlicht (noch) das Personal, nicht unbedingt die Tiefe. Die Serie wirft Fragen nach der (Un-)Möglichkeit moralischen Handelns auf. Oft ist vom Schicksal die Rede, interessanter ist jedoch die Wahl, vor der Geralt in so gut wie jedem Abenteuer steht. Egal, wie er sich entscheidet, es gibt kein richtig oder falsch. Alles hat zwei Seiten. Die Handlungen der Charaktere sind nachvollziehbar – auch die der vermeintlichen Monster. Die meisten von ihnen sind ohnehin nur missverstanden. Wie menschlich.

Ab heute auf Netflix, Staffel zwei wurde bereits fixiert

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