Da wird über Geld gerappt, die Vergangenheit beschworen und mancher Song ist einfach nur arg. Aber hören Sie selbst.
2019 war nicht nur das Jahr der Billie Eilish. Viele Künstler haben starke Songs veröffentlicht - vor allem aber Künstlerinnen. Zwölf Anspieltipps aus dem vergangenen Jahr.
Billie Eilish: „Everything I Wanted“
Wie ist es, wenn man alles bekommt, wovon man träumt, fragt sich Billie Eilish in dieser feinfühligen Ballade. Ihr selbst sitzt der Nachtmahr auf der Brust; sein Name ist Ruhm. Aber sie hat einen Beschützer, ihren Bruder (und Produzenten) Finneas, dem sie den Song gewidmet hat: „And you say, ,As long as I'm here no one can hurt you‘.“ So zärtlich ist diese Liebe, so sanft die Stimme, so warm das Piano. So fragil diese Existenz.
FKA Twigs:"Cellophane"
"I don't want to have to share our love", singt FKA Twigs mit verletzlicher, verletzter Stimme zu einem im Raum verhallenden Piano-Chord, als ob der Song still stehen würde: der intensivste Moment dieses fesselnden Klagelieds.
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Sharon Van Etten: "Seventeen"
Dieser berührende Song beginnt mit einem Fade-In. So als ob Sharon Van Etten einen Anlauf brauchen würde, um sich in ihr 17jähriges Ich zurück zu versetzen: "I used to feel free, or was it just a dream?", singt sie zu einem Rhythmus, der nur den Blick nach vorne kennt, dessen rasantes Tempo von juvenilem Aufbruch kündet, aber kein verklärtes Bild der Adoleszenz zeichnet.
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Solange: "Binz"
Die psychedelischen R'n'B-Medidationen ihres fantastischen Albums „When I get Home“ hört man am besten als Ganzes. Doch das kurze, fragmentarische "Binz" sticht heraus: mit entspanntem, aber zwingenden Groove.
Rosalía: „Dio$ No$ Libre Del Dinero“
Rosalía verbrennt zwar kein Geld, sondern singt nur darüber („Millones ardiendo, vamo' a quemarlos“), aber das mit Verve. Und sogar mit ein bisschen Mitleid in der Stimme, wenn sie besingt, wie die grünen und purpurnen Banknoten vom Feuer aufgefressen werden. Oder ist es nur das fantastisch eingesetzte Autotune?
Grimes: „Violence“
Wie kleine Mädchen klingen heute viele Frauen im Pop. Grimes übersteigert diesen – irgendwie befremdlichen – Trend: Vor allem am Beginn ihres neuen Songs klettert sie in allerhöchste Register, mengt die Spitzentöne mit Hecheln und Keuchen. In diesen extremen Gefilden der Stimme verschwimmen extreme Gefühle, vor allem Angst und Ekstase. Arger Song.
Miley Cyrus: „Mother's Daughter“
„Hallelujah, I'm a freak“, mit dieser Zeile meldet sich Miley Cyrus zu Wort. Im Video zeigt sie – etwa durch Fettsucht – monströs aussehende Menschen und sich selbst in einem Latexgewand mit anstößigen Applikationen: Enterotisierte Erotik, ganz im Sinn der frühen Punks. Der Song freilich hat nichts mit Punk zu tun, ist nur perfekter Pop, mit der Pointe, dass die Sängerin erklärt, dass sie wohl alle ihre Unarten von ihrer Mutter habe. Wie das halt so ist bei uns im Pop-Matriarchat.
Bon Iver: „Hey, Ma“
Musikalisch schließt Vernon nach schwer Zugänglichem mit „Hey, Ma“ an das selbst betitelte Album (2011) an: kunstvoll verzerrt, bezaubernd melodisch. „Then you took me in the room and you offered up the truth“, heißt es darin. Welche Wahrheit das ist, spricht er nicht aus. Der Text ist gewohnt kryptisch, auch im Refrain: „Full time, you talk your money up, while it's living in a coal mine.“
Bilderbuch: „LED Go“
Entspannte Loser-Hymne aus dem Album „Vernissage My Heart“, dem sechsten Longplayer der österreichischen Band. „Du hast große Zukunft, ich bin nicht dabei“, heißt es darin. Infantiler Refrain à la Cloud-Rap.
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Mahmood: „Soldi“
Umstritten war die Wahl des Rappers Mahmood, Sohn eines ägyptischen Vaters, als Vertreter Italiens beim Eurovision Song Contest. Sein rasant vorgetragener Song über Geld(-Mangel), wahrscheinlich der zeitgenössischste Beitrag, kam immerhin auf Platz zwei. Selten war der Song Contest so cool.
Weyes Blood: Andromeda
Die Songs von Natalie Mering alias Weyes Blood haben immer schon geklungen wie verschollene Schätze aus den Archiven des Pop. Nicht zuletzt dank ihrer zeitlos schönen Stimme. Im zart schwellenden „Andromeda“ sucht sie nach Orientierung: „Looking up to the sky for something I may never find.“
Little Simz: „Selfish“
Das wohl klischeehafteste Hip-Hop-Szenario: Eine Frau singt schwärmerisch mit viel Soul in der Stimme, bis der Mann hereinplatzt und rappend erklärt, wie die raue Welt wirklich ist ... Diese kleine Doppelconférence von Little Simz mit der Singer/Songwriterin Cleo Sol folgt im Prinzip diesem Muster, mit dem Unterschied, dass sie kein Mann ist und nicht ganz so dick aufträgt.