Gastkommentar

Wir waren Bierlein!

Peter Kufner
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Die Österreicher dachten: Endlich eine Übergangsregierung nach all den Untergangsregierungen! Und verschauten sich in die erste Kanzlerin.

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Warum die allererste Kanzlerin der Geschichte der Republik Österreich so über alle Maßen populär ist, ist leicht erklärt: Einerseits trägt sie einen wunderschönen Namen, der kongenial zu Land und Leuten passt. Andererseits die unwiderstehliche Anziehungskraft der Alliteration! Wer es auf dieser Welt zu etwas bringen will, ob Mensch oder Firma, Initiative oder GmbH, muss alliterieren: Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein: Das muss einem erst einmal einfallen! BBB! Wir sind Bierlein! Noch besser als Brigitte Bardot! BB. Und wie sensationell die 70jährige Dame ausschaut, das muss man ja auch einmal sagen! Unsere Brigitte schlägt die französische um Längen! 

Der Österreicher ist nun einmal von Haus aus kein politischer Mensch, er will keinen Streit und kein Parteiengezänk, er will seine Ruhe und seinen Frieden, Mehlspeise, Biedermeier. Und ein Weinderl und ein Bierlein. Hoch! Zsamm! Zsamm! Zsamm! Endlich eine Übergangsregierung nach all den Untergangsregierungen!  Bierlein denkt sich ihr Teil und lässt die anderen sondieren?;  Ob die Regierung im Streit mit der EU um die Indexierung der Familienbeihilfe an der umstrittenen Regelung festhält, ist dem gelernten Österreicher aber sowas von extrawurscht. Gmirtlich samma, Bierlein hamma. Er will eine fesche Bundeskanzlerin zum Anfassen, eine, die auf den Selfies vierzig Jahre jünger ausschaut. Dass sie keine Wahlen gewinnen muss, spricht ebenfalls für sie. Gott schütze Bierlein! Das war zuletzt bei der Sisi und bei der Maria Theresia auch schon der Fall! Vielleicht werden wir eines Tages politisch so visionär sein, dass wir in die Nationalhymne zu den großen Töchtern das große Bierlein auch noch eigens erwähnen.

Um noch einmal auf Frankreich zurückzukommen: Die Hauptheldentat Bierleins war sicher die Plauderei mit Michel Houellebecq bei den Salzburger Festspielen, der ja überhaupt nur unter der Bedingung nach Österreich zur Verleihung des großen Staatspreises für Europäische Literatur gekommen ist, dass ihm die Republik in Salzburg ein Hotel-Raucherzimmer zur Verfügung stellt. War das ein diplomatischer Aufwand! Hat man das Generalrauchverbot auf Allerheiligen verschieben müssen? Ich habe mir ein herrliches Bilddokument der beiden Sommerplaudernden ausgedruckt und übers Bett genagelt: Sie zwanzig Jahre jünger aussehend als sie war, er zwanzig Jahre jünger als er aussah: Die Kurzzeitkanzlerin nett, der Langzeitdichter dicht. Ich stelle mir so einen Smalltalk unheimlich schwierig vor: Was antwortet man, wenn der Dichter, die Zigarette zwischen Mittelfinger und Ringfinger geklemmt, nuschelt, Höflichkeit sei Heuchelei, eine große soziale Tugend und – wenn man schreibt – ein Kunstfehler? Wie reagiert man, wenn der Dichter verkündet: Schriftsteller seien keine Wohltäter der Menschheit. Nicht selten empfänden sie Verachtung und Antipathie sich selbst und der Menschheit als Ganzes gegenüber, und viele von Ihnen seien der Ansicht, dass das Verschwinden der Menschheit eher etwas Gutes wäre.

Echt? Aber: Es wird ein Bierlein sein, und wir wer`n nimma sein?; Die Kanzlerin schien am Bild nicht zu denken, wir schaffen das, sondern: Immer nur lächeln! Und immer vergnügt! Nächster Termin: Orpheus in der Unterwelt.

Und, Bierlein, gemma eine rauchen? -  Nein, lieber Ujedings, rauchen kannst mit dem Sascha! Wir haben in Österreich alles schön paritätisch aufgeteilt?

Nur eine Hoffnung muss der gelernte Österreicher fahren lassen: Privat und persönlich geht da wohl nix! Brigitte Bierlein scheint das Glück ihres Lebens gefunden zu haben! Den ganzen goldenen Herbst lang sah man unser First Golden Girl im feschen Dirndl durch die sattgrüne österreichische Alpenlandschaft wandern, immer an der Seite ihres Herzensknabens, dem lieben Sascha. Was für ein schönes Paar! Davon hat Österreich seit hundert Jahren geträumt! Das berührendste Happy End wäre, wenn in diesen dauerrauhen Zeiten nach möglichst endlosen Sondierungen alles Kurz und gut ist, dass die beiden ihre Liebe vor Gott und der Welt einbekennen und Bundes und Bundes den Bund fürs Leben schließen! Bellen sollen andere. Tu felix Bierlein, nube!

Egyd Gstättner (* 1962) ist Schriftsteller und Essayist.

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