Am Herd

Christbaumkauf

Was der Christbaumkauf über mich und meine Familie verrät: Wir haben inkompatible Terminkalender, sind ein bissel bequem – und hoffnungslos nostalgisch. Vor allem die Kinder.

Ich bin wieder einmal zu spät dran. Und das ist nicht meine Schuld. Oder doch. Oder nicht. Oder schon irgendwie. Es ist nämlich so: Eigentlich suchen die Kinder und ich den Christbaum immer gemeinsam aus, wir spazieren durch die Spaliere und lästern, finden den zu mager, den zu fett, der hier sieht aus wie von Mäusen angenagt, der dort ist vermutlich von letzten Weihnachten übrig geblieben, und am Ende einigen wir uns auf den einen, den einzig möglichen Baum, der wunderbar ist, wie jedes Jahr, perfekt. Das ist zumindest der Plan. In Wirklichkeit hat immer gerade irgendwer keine Zeit, Marlene muss noch Mathe lernen, Hannah Kekse backen mit den Studienkollegen, und ich bin gerade erst nach Hause gekommen und habe keine Lust, noch einmal durch die Dunkelheit zu stapfen, jedenfalls zieht so der Advent ins Land, und ich irgendwann notgedrungen allein los und rede mir genauso allein die allerletzte Tanne schön.

Also: Wer ist jetzt schuld?

Jedenfalls habe ich heuer versucht, meine Wahlmöglichkeiten so knapp vor Weihnachten zu erweitern. Ich habe vorgeschlagen, einen kleineren Baum zu kaufen. Das heißt: So plump bin ich natürlich nicht vorgegangen, ich habe Marlene nur vorsichtig gefragt, wie groß er denn zu sein hätte? Sie ist auf die Waschmaschine geklettert (wichtige Gespräche finden bei uns im Bad statt) und hat den Arm ausgestreckt. „So!“ – „So einen großen Baum kriegen wir ja nicht einmal durchs Stiegenhaus!“ – „Okay. Aber es muss schwer sein, die Spitze anzubringen.“ Pause. „Wenn man sich auf einen Sessel stellt.“

Weihnachtswunder. Na super. Kurz habe ich mit dem Gedanken gespielt, einfach bis zum Heiligen Abend zu warten, in der Hoffnung auf ein Weihnachtswunder, aber ich bin weder so gläubig noch so risikofreudig, weshalb ich dann doch noch am Samstag rasch eine Tanne besorgt habe, natürlich die allerschönste und allerbeste und allerdichteste, perfekt. Jetzt muss ich nur mehr die letzte Hürde überwinden: Meine Eisenerzer Schwiegermama wird mich nämlich fragen, wie viel der Baum gekostet hat, sie will mir nämlich wie jedes Jahr das Geld überweisen. Und wie jedes Jahr werde ich es nicht übers Herz bringen, ihr zu sagen, wie viel ich wirklich bezahlt habe, weil ich nämlich aus Bequemlichkeit beim Christbaumhändler ums Eck kaufe und der verlangt Apothekerpreise: Jede Nadel ein Euro. Sie würde mich für vollkommen verrückt halten!

Also muss ich lügen. Und ich belüge meine Schwiegermama wirklich ungern.

Wie auch immer: Der Heilige Abend ist viel entspannter, seit die Kinder nicht mehr darüber streiten, wer welche Kerze ausblasen darf.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2019)

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