Viele Heimkehrer waren nicht mehr die Menschen, die Jahre zuvor weggegangen waren.
Geschichte

Der fremde Mann

Im Jänner erscheint „1945. Der Beginn“, unser neues Geschichte-Magazin zum 75. Geburtstag der Zweiten Republik. Das Thema: Wie fand unser Land die Kraft zum Wiederauferstehen? Hier ein Auszug aus dem Kapitel „Heimkehrer“.

Man sieht diesen Männern an, dass sie in einem merkwürdigen Zwischenstadium leben: Sie sind nicht mehr Soldaten, obwohl sie, wenn sie aus den Zügen steigen, oft noch ihre Uniformen tragen, und sie sind noch nicht Zivilisten. Sie sind Heimkehrer. Kriegsgefangene Soldaten, die aus Lagern zurückkehren, sie prägen in der Nachkriegszeit die Realität im Land.

Der Empfang auf den Bahnhöfen, das Bild der wartenden Frauen auf den Bahnsteigen, die Fotos in die Höhe halten, weil sie von den Ankommenden Auskunft über ihre vermissten Männer wollen, ist durch die berühmten Fotoserien von Ernst Haas und Harry Weber dokumentiert. Es sind die Bilder, in denen die Turbulenzen der Nachkriegsjahre „wie in den Schlüsselszenen eines Melodrams“ (Ela Hornung) zu kulminieren scheinen.

490.000 Österreicher waren in Kriegsgefangenschaft geraten, rund 800.000 waren eingezogen worden, sie wurden generell früher entlassen als die deutschen Wehrmachtsangehörigen. Amerikaner, Engländer und Franzosen schicken die Männer in den Jahren 1946 bis 1948 komplett nach Hause, die in russischen Lagern Gefangenen werden in der Heimat oft noch vermisst. Leben sie noch? Müssen sie hungern? Man stellt sich in der Heimat auch die Frage: Wenn sie zurückkommen, werden sie die Kraft haben, am Wiederaufbau mitzuwirken?

Im Österreich der Nachkriegszeit sollte auf allen Ebenen wieder Ordnung hergestellt werden, im öffentlichen und privaten Bereich. Waren sie dazu fähig? „Was denken überhaupt diese Männer, die entblößt sind von allen materiellen und seelischen Gütern?“, fragt sich die Zeitung „Neues Österreich“ am 2. Jänner 1946, und sie befragt junge Heimkehrer zwischen 20 und 26 Jahren, acht Beispiele sollen für Hunderte, für Tausende stehen, und der Befund, die Erkenntnis, die aus diesen Gesprächen gewonnen wird, erscheint der Zeitung, die zum Jahresbeginn 1946 vielleicht etwas Positives, Zukunftsweisendes schreiben wollte, „erschütternd und atemberaubend“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.