Leitartikel

Europa braucht keine US-Zwangsnachhilfe

Archivbild: Tonnenschwere Rohre für Nord Stream 2 auf einem Lagerplatz im Hafen von Sassnitz-Mukran im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.
Archivbild: Tonnenschwere Rohre für Nord Stream 2 auf einem Lagerplatz im Hafen von Sassnitz-Mukran im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttne
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Es ist unklug, wie Europa seine energiepolitische Abhängigkeit von Russland vertieft. Doch die Sanktionen der USA gegen das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 sind völlig inakzeptabel.

Republikaner und Demokraten ähneln dieser Tage zwei unversöhnlichen Stämmen auf dem Impeachment-Kriegspfad. In einem aber sind sich die heillos zerstrittenen US-Parteien einig: in ihrer Ablehnung der Pipeline Nord Stream 2, die Erdgas aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland pumpen soll. Sie wollen das Projekt auf den letzten Kilometern stoppen, und zwar mit gezielten Sanktionsdrohungen gegen jene Firmen, die Rohre im Meer verlegen.

Die Strafmaßnahmen zeigten Wirkung, noch bevor sie US-Präsident Donald Trump in der Nacht auf Samstag mit seiner Unterschrift in Kraft setzte. Das Schweizer Unternehmen Allseas, Betreiber eines Spezialschiffs zum Bau von Pipelines, unterbrach seine Arbeiten bis auf Weiteres, um nicht Einreiseverbote und die Beschlagnahme von Eigentum oder Vermögen in den USA zu riskieren. Die Amerikaner zielen auf eine technische Achillesferse von Nord Stream 2. Man kann treffsichere Sanktionen dieser Art smart nennen, für Europa sind sie im vorliegenden Fall vor allem eines: inakzeptabel.


Vasallenmentalität. Die EU kann sich ihre energiepolitischen Entscheidungen nicht wie ein duckmäuserischer Vasall von den USA diktieren lassen, schon gar nicht durch völkerrechtlich höchst fragwürdige Gesetze, die extraterritoriale Gültigkeit beanspruchen. Umso enttäuschender ist, wie schwachbrüstig das in Energiefragen gespaltene Europa auf die Maßregelung reagiert. Außer vereinzelter Empörungssuada ist da bisher nichts zu vernehmen. Dabei ist es ja nicht zum ersten Mal, dass die Amerikaner so verfahren. Auch nach ihrer einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran bedrohten sie Unternehmen, die weiterhin Geschäften in der Islamischen Republik nachgehen, mit einer Sperre des US-Markts. Die EU wollte ein Umgehungsvehikel für Finanztransaktionen schaffen, doch das funktionierte nicht: Denn im Zweifel entscheiden sich Unternehmen für den größeren Markt, und das ist nun einmal der amerikanische. Europa lässt sich herumschubsen, es weiß keine Antwort auf die Mobbing-Methoden jenseits des Atlantiks.

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