Reportage

Flüchtlinge zwischen zwei Welten: "Wo ist mein Zuhause?"

Jean Paul mit seinen Eltern Sirmola und Raymond. Die Familie kommt aus Aleppo.
Jean Paul mit seinen Eltern Sirmola und Raymond. Die Familie kommt aus Aleppo. (C) Julia Pabst
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Raymond und Sirmola G. sind vor vier Jahren mit ihren beiden Kindern aus dem syrischen Aleppo geflohen. Mittlerweile haben sie in Österreich ein Leben aufgebaut. Sind sie hier wirklich angekommen?

Sie wusste nicht, was sie erwartet. Damals, Ende Februar 2016, als die Familie mit dem Flieger in Österreich landete. Hinter ihnen ein Leben in Syrien. Tod, Bomben, Verfolgung, so viel Angst um das Leben, um das der Kinder.

Vor ihnen ein Land, das sie nicht kannten. Christlich wie sie selbst, aber anders. Es sind zwei Gefühle, die Sirmola G., deren Familienname nicht in der Zeitung stehen soll, in der Brust hat. Angst vor der Zukunft und Hoffnung, dass sie hier in Sicherheit leben können. Ein Resettlement-Programm hat sie nach Österreich gebracht. Wegen ihres Glaubens – die Familie war vor Ort in der Kirche sehr aktiv – mussten sie auch vor den radikalen Islamisten fliehen. In Wien hat sie Kardinal Schönborn begrüßt, was Familienvater Raymond nachhaltig beeindruckt hat. Die Pfarre Maria Hietzing nennt er bis heute seine Heimat, weil sie hier die erste Zeit in Österreich verbracht haben. Noch immer gehen sie dort oft zum Gottesdienst. Die Kinder passen sich schnell an. Tochter Gabriella, heute zwölf, kommt in die Volksschule. Sohn Jean Paul, heute 15, ins Gymnasium. Sie lernen Deutsch, neue Bräuche und Essen. Die Eltern staunen, lernen mit. Einmal bringt Gabriella Kürbissuppe mit – und Sirmola, ihre Heimat Aleppo ist berühmt für die Küche, fragt sich verwundert, was die Leute hier essen.

Wo gehören sie hin? Für die Eltern ist es weitaus schwieriger als für die Kinder. Sie vermissen Freunde und Familie, haben Angst um sie. Sirmola G. erinnert sich gut, wie sie anfangs viel durch Wien gegangen ist. „Überall war es so schön und grün, aber ich hatte das Gefühl, ich gehöre nicht hierher.“

Das Erlernen der Sprache, da sind sich sie und ihr Mann einig, war schließlich der Beginn, sich hier zu Hause zu fühlen. Plötzlich verstehen sie, was die Menschen sagen. Sie sehen auch, was ihre Kinder hier erreichen, wie das Zusammenleben funktioniert. In Syrien, erzählt Sirmola, leben Syrer unterschiedlicher Religion zusammen. „Aber hier gibt es viele Leute aus verschiedenen Ländern und die akzeptieren und respektieren einander. Das ist für uns wirklich neu.“ Am Staatsfeiertag stellt sich Raymond vier Stunden an, um sich bei Präsident Van der Bellen zu bedanken, dass er hier sein darf.

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