Streit um Gasversorgung

Harsche Kritik aus Berlin an US-Sanktionen gegen Nord Stream 2

USA verhängen Sanktionen wegen Nord Stream 2
USA verhängen Sanktionen wegen Nord Stream 2APA/dpa/Bernd Wüstneck
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Bis zuletzt wollte Deutschland Strafmaßnahmen der USA wegenNord Stream 2 abwehren, doch US-Präsident Trump hat dasSanktionsgesetz nun unterschrieben.

Die USA wollen die Gaspipeline Nord Stream 2 kurz vor der Fertigstellung stoppen und haben trotz deutschen Widerstands Sanktionen gegen beteiligte Firmen erlassen. US-Präsident Donald Trump unterzeichnete am Freitagabend (Ortszeit) ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt. Das Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2 ist Teil des Pakets und trat mit Trumps Unterschrift in Kraft.

Die US-Maßnahmen des "Gesetzes zum Schutz von Europas Energiesicherheit" zielen auf Investoren und Firmen ab, die am Bau beteiligt sind. Die Firma Allseas, die mit Spezialschiffen die Rohre durch die Ostsee verlegt, reagierte umgehend und setzte ihre Arbeit an der Pipeline vorerst aus. Das Nord-Stream-2-Konsortium will sie dennoch so bald wie möglich weiterbauen.

Hinter dem Pipeline-Projekt steht der russische Staatskonzern Gazprom, der die Hälfte der geplanten Gesamtkosten von 9,5 Mrd. Euro stemmen soll. Die andere Hälfte finanzieren fünf europäische Energieunternehmen: die österreichische OMV sowie Wintershall Dea, Uniper, Royal Dutch Shell und Engie.

Rund 300 Kilometer fehlen noch

Der deutsche Vizekanzler Olaf Scholz verurteilte das Vorgehen der USA. "Solche Sanktionen sind ein schwerer Eingriff in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Europas und der eigenen Souveränität." Auf Gegensanktionen will Deutschland aber verzichten.

Scharfe Kritik kam aus Moskau. Der Kreml geht davon aus, dass die Amerikaner die Pipeline nicht verhindern können. Erwartet wird aber, dass der Bau nun teurer wird und sich verzögert, weil Russland keine eigenen Spezialschiffe für die Arbeiten hat und Ersatz suchen muss.

Nord Stream 2 soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung Polens und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Für die 1200 Kilometer lange Doppelstrang-Strecke wurden nach Angaben des Konsortiums bereits mehr als 2100 Kilometer Rohre verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Auch einige EU-Staaten lehnen das Projekt ab.

USA wollen ihr Flüssiggas verkaufen

Die USA lehnen die Pipeline seit Jahren ab - sowohl Demokraten als auch Republikaner. Sie argumentieren, Deutschland und die Europäer begäben sich in Abhängigkeit von Russland. Die Beziehungen zu Europa und Deutschland seien für die nationale Sicherheitsinteressen der USA entscheidend. Die USA sollten sich gegen jeden Versuch stellen, diese Beziehungen zu schwächen. Die USA wollen aber auch ihr Flüssiggas in Europa verkaufen - das teurer ist.

Ins Visier der USA ist auch die Schweizer Firma Allseas geraten. Zwei prominente US-Senatoren forderten den Verlegespezialisten zum sofortigen Stopp der Arbeiten auf. "Wir verstehen, dass die russische Regierung Allseas eine sehr bedeutende Geldmenge dafür bezahlt, die Nord-Stream-2-Pipeline fertigzustellen", hieß es in einem Brief der republikanischen Senatoren Ted Cruz - der das Sanktionsgesetz eingebracht hat - und Ron Johnson an Allseas-Chef Edward Heerema. Sollte die Firma die Arbeiten aber "auch nur für einen einzigen Tag" nach Unterzeichnung des US-Sanktionsgesetzes fortführen, drohten ihr "potenziell vernichtende rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen".

Allseas kündigte am Samstagmorgen an - "in Erwartung der Verfügung" die Arbeiten zunächst auszusetzen. Man werde sie wieder aufnehmen im Einklang mit der Gesetzgebung und erwarte Orientierungshilfe der US-Behörde. Das Nord-Stream 2-Konsortium erklärte, "zusammen mit unseren Partnerfirmen arbeiten wir an der schnellstmöglichen Fertigstellung des Projektes". Die Pipeline sei wesentlicher Bestandteil der europäischen Versorgungssicherheit.

Sanktionen werden rückwirkend verhängt

In dem von Cruz' Büro veröffentlichten Schreiben heißt es, dass die US-Regierung dem Kongress zwar erst 60 Tage nach Unterzeichnung des Gesetzes berichten werde, gegen welche Firmen Sanktionen verhängt würden. Allerdings würden bei Verstößen rückwirkend Strafmaßnahmen verhängt. Eine 30-tägige Übergangsfrist nach Inkrafttreten gelte nur, wenn Unternehmen überzeugend darstellten, dass sie ihre Arbeiten an dem Projekt abwickelten, warnten die Senatoren. "Sollten Sie versuchen, die Pipeline in den nächsten 30 Tagen fertigzustellen, würden Sie ihren Aktionärswert vernichten und die künftige finanzielle Existenzfähigkeit ihres Unternehmens zerstören."

Die Senatoren verwiesen auf die Konsequenzen, sollte Allseas gegen die Sanktionen verstoßen: Wer Verlegeschiffe zur Verfügung stelle, werde bestraft; gegen betroffene Personen würden Einreiseverbote in die USA verhängt; Allseas-Besitz in den Vereinigten Staaten würde eingefroren. Das würde auch das Vermögen von Allseas USA mit Sitz in Houston (Texas) sowie Schiffe des Unternehmens betreffen, die US-Hoheitsgewässer befahren sollten.

Scholz: „Politisch unklug"

Vor dem Hintergrund der jüngsten Verständigung zwischen Russland und der Ukraine über den Gastransit durch die Ukraine kommen die Sanktionen nach den Worten von Vize-Kanzler Scholz auch zu einem falschen Zeitpunkt: "Die Europäische Union und Deutschland haben sehr dabei mitgeholfen, dass diese Vereinbarung jetzt noch vor dem Jahresende zustande kommt", sagte der SPD-Politiker der ARD: "Deshalb ist das nicht nur falsch, sondern auch politisch unklug."

Aus Sicht des Außenministeriums in Moskau werden US-Sanktionen gegen russische Gasleitungen die Umsetzung dieser Projekte nicht gefährden. "Russland hat seine Wirtschaftsprojekte umgesetzt und wird sie weiter umsetzen - unabhängig von irgendwelchen Sanktionen", teilte das Außenministerium am Samstag in Moskau mit. Die USA gingen vor allem gegen ihre Verbündeten in Europa vor und hinderten die Europäer am Zugang zu einer Gasversorgung zu akzeptablen Preisen.

Der Transatlantik-Koordinator der deutschen Regierung, Peter Beyer (CDU), sagte der dpa, die Strafmaßnahmen richteten sich nicht gegen Deutschland, sondern privatwirtschaftliche Unternehmen. "Deshalb wird Deutschland keine Gegenmaßnahmen einleiten. Wenn, müsste dies sowieso auf europäischer Ebene geschehen, aber auch das wird nicht passieren." Aus Sicht von SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich wird das transatlantische Verhältnis weiter belastet. "Die EU und Deutschland sind für Trump offenbar keine verbündeten Partner, sondern tributpflichtige Vasallen."

(APA/dpa)

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