Alle warten auf die spanische Inquisition

Alle warten spanische Inquisition
Alle warten spanische Inquisition(c) AP (PaulWhite)
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Banken und Bürger der viertgrößten Euro-Volkswirtschaft stürzten sich dank niedriger Zinsen in einen Kaufrausch. Nun ist der Kater groß – und Madrid gilt als Kandidat für die nächste EU-Rettungsaktion.

BRÜSSEL. Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, bleibt nur die Flucht nach vorne. Am Mittwoch tat die Notenbank in Madrid kund, die Stresstests der spanischen Banken veröffentlichen zu wollen. „Die Resultate werden zeigen, dass der Sektor ausreichend kapitalisiert ist“, teilte sie mit.

Stresstests: Das muss man sich vorstellen wie einen probeweisen Feueralarm im Nadelstreif. In einer großen Simulation werden die Geschäftszahlen der Banken verschiedenen Krisenszenarien unterzogen. Wie viel Eigenkapital bleibt den Instituten, wenn so und so viel Prozent ihrer Kredite uneinbringlich sind? Wie schnell kommen sie dann zu frischem Geld – und zu welchem Preis?

Europas Notenbanken veranstalten regelmäßig solche Übungen. Noch im Juni sollen die Ergebnisse des aktuellen Stresstests verkündet werden. Allerdings wird das, wie üblich, in anonymisierter Form geschehen. Zu peinlich wäre es, wenn bekannt würde, dass das nächste raue Lüfterl auf den Finanzmärkten diese oder jene Bank in die Pleite kippen würde.

Bloß: Diese Sorge vor einem Gesichtsverlust haben die spanischen Kreditinstitute nicht. Ihr Ruf ist nämlich schon perdu. Nach dem Platzen der gigantischen Immobilienblase, die Spaniens Küsten und Vorstädte mit leer stehenden Hotelbunkern und Apartmentblocks verziert hat, krachen vor allem die Sparkassen wie die Kaisersemmeln.

Das legt auch den Unterschied zu Griechenland offen, dem bisherigen fiskalpolitischen Sorgenkind Nummer eins. Die griechische Krise ist im Wesentlichen in der hohen Verschuldung des Staates begründet. Spanien hingegen hat zwar eine verhältnismäßig niedrige Staatsschuldenquote von 53 Prozent der Wirtschaftsleistung. Rechnet man aber die Schulden von Bürgern und Unternehmen dazu, beträgt die Schuldenlast schwindelerregende 178 Prozent.

Krachende Bauwirtschaft, bankrotte Privatkunden, massenhaft faule Kredite in den Büchern: Kein Wunder, dass die Banken seit Wochen im Ausland keinen frischen Kredit bekommen. „Für die Mehrzahl der Unternehmen und spanischen Finanzinstitute sind die internationalen Kapitalmärkte derzeit geschlossen“, sagte Francisco González, der Vorstandsvorsitzende von BBVA, der zweitgrößten Bank des Landes, am Montag.

250 Milliarden Euro Hilfe?

Bleibt also nur der Weg nach Frankfurt. Dort hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Sitz. Von ihren Diensten als Kreditgeberin in Not leben Spaniens Banken derzeit. Allein im Mai haben sie sich mehr als 85 Milliarden Euro geliehen, berichtete die „Financial Times“ am Mittwoch. Das waren 16,5 Prozent aller Darlehen, die die EZB an die Banken der Eurozone vergab.

Offiziell wird es entrüstet dementiert, aber Spanien gilt seit vergangener Woche als nächster Kandidat nach Griechenland für einen EU-Rettungseinsatz. Die spanische Zeitung „El Economista“ berichtete, EU und Internationaler Währungsfonds würden Hilfskredite von 250 Milliarden Euro vorbereiten. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wird Spaniens Premier Zapatero am Freitag treffen.

Wie konnte all das nur passieren? Wie konnte Spanien einem solch fatalen Kaufrausch verfallen? Die Antwort ist recht einfach. Sie ist auch seit Jahren bekannt. Bloß will sie niemand hören.

Fatales Geschenk tiefer Zinsen

Dabei ist sie im Kern eine gute Nachricht. Nämlich: Der Euro hat Spanien historisch tiefe Zinsen geschenkt. In den Jahren 2002 bis 2006 waren die realen Zinssätze in Spanien negativ (siehe Grafik). Anders gesagt: Wer sparte, anstatt einen Kredit aufzunehmen, galt als schön blöd. Die Politik hat beim Aufpumpen der Immobilienblase eifrig mitgemacht. So beschloss die Regierung unter Ministerpräsident José Luis Zapatero ein Bauprogramm von 150.000 Sozialwohnungen – pro Jahr, versteht sich.

Statt das Geschenk der niedrigen Zinsen dafür zu nutzen, die Wettbewerbsfähigkeit Spaniens zu erhöhen, gaben Staat, Bürger und Banken das Geld mit vollen Händen aus. Der Effekt: Spaniens Leistungsbilanz verschlechterte sich zwischen 1994 und 2008 – also ab Beginn der Vorbereitungen für die Euroeinführung – um satte 8,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Darum muss Zapatero jetzt umso härter sparen. Denn die überschaubare staatliche Schuldenquote von 53 Prozent wird rasch steigen, sobald Steuereinnahmen aus Bank- und Bauwirtschaft wegfallen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2010)

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