Ein Boy und seine Bubble: In der Nachkriegszeit stand der Kaugummi am Höhepunkt seines Ruhms.
150 Jahre Kaugummi

Wir kauen, bis der Kiefer kracht

Erst aufgeblasen, dann ausgespuckt: Seit dem Patent von 1869 steht das ungeschluckte Lebensmittel für ein Lebensgefühl. Doch seit Urzeiten sind zähe Massen in aller Munde. Was macht sie zur anthropologischen Konstante?

„Du bist in Feindesland. Sei auf der Hut, jeder Deutsche kann eine Gefahr sein.“ Aber die amerikanischen Soldaten hielten sich nicht an das „Fraternisierungsverbot“ ihrer Führung. Wenn die GIs auf ihren Panzern in eine zerbombte Stadt einfuhren, warfen sie den Besiegten kleine Geschenke zu. Schokolade, Zigaretten, vor allem aber etwas, was die Europäer längst vergessen hatten: das einzige Lebensmittel, das nicht zur Einnahme geeignet ist, allein der müßigen, ziellosen Bewegung der Kiefer dient und am Ende ausgespien wird.

Ein überflüssiges Ding als Sinnbild des Überflusses, ein zuckersüßer Gruß aus dem Schlaraffenland des Kapitalismus. Es verhieß friedliche Konsumfreuden: Make bubbles, not war. Aber es diente auch, in der Stunde Null, als minzfrisches Symbol einer neuen Freiheit: Zukunft formen, die kulturelle Kluft überbrücken, als Weltbürger und Demokrat. Der Kaugummi ist, was man daraus macht. So war er stets Spiegel der Gesellschaft – ob als Werkzeug der Revolte oder Kinderkram, geschmatzte Provokation oder propere Pastille für frischen Atem.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.