Rosalía: radikal und sinnlich.
Flamenco-Pop

Rosalía: Der größte spanische ­Musikexport seit Julio Iglesias

Die spanische Popsängerin Rosalía schaffte den Sprung zum Superstar. Feminin und radikal spielt sie mit Sounds und Genderklischees.

Herbem Leben entspringt herbe Kunst. Und so sind Zorn und Empörung, Ohnmacht und Enttäuschung, Trauer und Resignation von jeher natürliche Gegenstände des Flamencogesangs. „Wenn ich singe, schmeckt mein Mund nach Blut“, bekannte schon 1899 die Sängerin Tía Anica la Piriñaca. Hört man sich „Los Angeles“, das Debütalbum der aus Barcelona stammenden Rosalía Vila Tobella aus dem Jahr 2017 an, drängen raue Emotionen ans Ohr. Guter Gesang stimmt in diesem Genre nicht fröhlich, sondern er schmerzt. Insofern ist der Flamenco mit dem amerikanischen Blues und dem argentinischen Tango verwandt. Die Reaktionen auf ihn sind in der Regel heftiger als im Blues oder Tango. Es passierte nicht so selten, dass erregte Hörer ihre Kleidung zerrissen und zuweilen sogar Sänger in die Wange gebissen haben.

Nah am Schmerzensschrei

Unvergessen ist ein Auftritt des andalusischen Sängers Manuel de los Santos Pastor, genannt Agujetas (Schnürsenkel), beim Kremser Festival Glatt und Verkehrt. Niemals zuvor hat man Gesang gehört, der so nah am Schmerzensschrei war wie an diesem Abend. Der 2015 verstorbene Agujetas schaffte es mit seiner schroffen Kunst, dem Cante jondo, der dunkelsten Form von Flamenco, bis in die New Yorker Carnegie Hall. Die „New York Times“ bemühte damals alle verfügbaren Superlative. Heuer im Oktober tat sie es wieder. Diesmal ging es um Rosalía Vila Tobella, die aus praktischen Gründen ihre Nachnamen weglässt. Vom schon erwähnten traditionellen Flamencoalbum zum globalen Hitwunder dauerte es nur ein Jahr. Die 26-jährige Rosalía hat mit ihrer qualitätsvollen Mischung aus archaischem Flamenco und moderner, elektronischer Tanzmusik erstaunlicherweise den Sprung zum Massenpublikum geschafft, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen. Der flammende, selbst komponierte Flamenco-Pop, den die Katalanin auf ihrem zweiten Album „El Mal Querer“ vorstellt, ist von höchster Delikatesse und Ansteckungskraft. Sie beschäftigte darauf Palmeros, traditionelle rhythmische Klatscher, schaltete aber auch eine Roland 808-TR dazu, jene Drum Machine, die den Detroit Techno mitgeprägt hat. Bei den Grammys wurden ihr dafür zwei Trophäen zuerkannt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.