Wirtschaftsgeschichte

Das „wilde Wasser“ der Triesting

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Unter Maria Theresia wurde das Triestingtal zum Industriestandort.

Wirtschaftlich hatte die Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert einiges aufzuholen, dynamischere Länder wie England hatten die industrielle Revolution bereits vorangetrieben. Maria Theresia und ihr Ehemann, Franz Stephan, begannen nun mit der Industrialisierung auch in Österreich. Sie entdeckten dafür das südlich an Wien angrenzende Flachland. Vor allem das Triestingtal an seinem östlichen Rand übernahm nun eine Trägerrolle bei der Industrialisierung. Hier kam viel Potenzial zusammen, Natur und Erfindergeist, Wasserkraft und Bodenschätze. Manche Unternehmen waren lang geplant, manche entstanden durch einen Geistesblitz. Der Begriff „Industrieviertel“ entstand.

Schreibt man also eine Geschichte des Triestingtals, berichtet man auch über ein wesentliches Kapitel unserer Wirtschaftsgeschichte. Der „lärmende Bach“, das „wilde Wasser“ (so die Etymologie des Wortes Triesting) wurde aufgestaut, ab- und umgeleitet, Mühlräder wurden angetrieben, Brücken und Viadukte gezimmert, Kanäle abgezweigt, alles also, was innovativer Menschengeist mit einem fließenden Gewässer anrichten kann.

Christian Plattner hat es in einem reich illustrierten und locker geschriebenen Buch nun geschildert. Entlang des Oberlaufs der Triesting gab es nicht nur Fabriksgründungen zu entdecken, die „ersten Buschwindröschen des Frühkapitalismus, die ihre Knospen durch die frostige Erde des mittelalterlichen Zunftwesens streckten“, sondern auch Geschichten rund um kleine Leute und große Persönlichkeiten, „bewunderns- und verachtenswerte Frauen und Männer“ schreibt der Autor. Die meisten Namen sind heute noch bekannt.

Hedys unglückliche Ehe

Da war etwa der Armenarzt Victor Adler, der nur wenige Kilometer vom Ursprung der Triesting entfernt, in Hainfeld, die sozialdemokratischen Lager einte. Und da waren die Kapitalisten des Rüstungs- und Munitionsdreiecks mit den Spitzen Hirtenberg, Berndorf und Wiener Neustadt, das seit der Zeit Maria Theresias die österreichische Militärindustrie dominierte. Von hier wurde die Armee mit Waffen und Munition versorgt. Am bedeutendsten wurde die jüdische Unternehmerfamilie Mandl. Fritz Mandl leitete die Hirtenberger Patronenfabrik, wurde in den 1930er-Jahren der drittreichste Österreicher und eine fixe Größe in der noblen Gesellschaft Wiens. Ein paar Jahre war er mit der Schauspielerin Hedwig Kiesler verheiratet, die Ehe machte die mädchenhafte Schönheit nicht glücklich. Sie flüchtete aus der Umklammerung durch den eifersüchtigen Industriellen. Als Hedy Lamarr kennt man sie noch heute. Sie wurde in Hollywood zur Kultfigur.

Es war im Juni 1843, als der Großhändler und Bankier Alexander von Schoeller und der deutsche Unternehmer Alfred Krupp ins Triestingtal kamen. Der Ort Berndorf gefiel ihnen: ein breiter Talboden mit ausreichend Platz für Fabriken, dann die Wasserkraft durch die Triesting, nahe gelegene Braunkohlevorkommen – der Standort hatte nur Vorteile zu bieten. Es dauerte nur wenige Monate, bis eine Fabrik fertig war, Alfred Krupps Bruder Hermann übersiedelte hierher, man produzierte Löffel und Gabeln in großen Stückzahlen, um 1890 hatte die Berndorfer Metallwarenfabrik bereits 4000 Mitarbeiter. Noble Leute verwendeten nun das Tafelbesteck aus Berndorf. Der Aufstieg des Triestingtals hielt an.

Info

Christian Plattner
„Wohltäter – Waffenhändler – Weltreisende“
Kral Verlag
160 Seiten, 26,90 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2019)

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