Japan

„Geisterschiff“ mit sieben Leichen

(c) via REUTERS (Sado Coast Guard Station)
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Immer wieder treibt stürmisches Wetter führerlose Leichenboote an die japanische Küste. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen die Schiffe aus Nordkorea.

Tokio. Wieder ist ein mysteriöses Geisterboot mit verwesten Leichen an Japans Nordwestküste entdeckt worden. In dem 7,60 Meter langen, primitiven Holzkahn fand die Polizei sieben Tote, teilweise nur noch als Skelette erhalten oder als zwei enthauptete Köpfe. Die Todesursache und die Identität der Leichen sind bisher nicht bekannt. Koreanische Buchstaben und Ziffern in roter Farbe deuten darauf hin, dass das Boot mit großer Wahrscheinlichkeit aus Nordkorea stammt.

Das grausige Phänomen ist keine Seltenheit. Gerade in den Wintermonaten kommt es bei stürmischem Wetter öfter vor, dass führerlose Leichenboote an die Küsten Japans getrieben werden. Seit November waren es erst zwei, aber im vergangenen Jahr wurde die Rekordzahl von 104 solcher „Geisterboote“ entdeckt.
Japans Behörden und die breite Öffentlichkeit fragen sich besorgt: Handelt es sich bei den Leichen um arme Teufel aus Nordkorea, die dem Hunger entfliehen wollten? Oder sind es illegale Krabbenfischer oder sogar gestrandete Agenten auf der Jagd nach neuen Entführungsopfern, wie es in der Vergangenheit oft vorgekommen ist?

„Indiz für die Verzweiflung“

Japans Küstenwacht ist jedenfalls alarmiert. Die Strömung treibt ganze Schiffe – zwölf bis 15 Meter lange Holzboote mit wenig Technik, oft kieloben treibend, zuweilen auch halbwegs intakt – an Land. Fast immer ohne ausreichende Navigationshilfe, leer oder mit Leichen im Rumpf.
Die japanischen Medien fragen: Woher kommen diese Seelenverkäufer? In See gestochen sind die Holzkähne höchstwahrscheinlich an der nordkoreanischen Küste zum Japanischen Meer. Einige wenige Netze an Bord deuten darauf hin, dass es sich um Fischer handeln könnte. Warum aber begeben sich derart hochseeuntüchtige Boote überhaupt auf die gefährliche Reise im stürmischen Japanischen Meer?

Im Außenamt in Tokio wird vermutet, dass erhöhtes Risiko beim Fischfang eine indirekte Folge der internationalen Sanktionen gegen das Regime in Pjöngjang ist. Obwohl Diesel streng rationiert ist, wagen sich ungeeignete Küstenboote aufs offene Mehr hinaus. Fisch soll andere knappe Lebensmittel ersetzen, da auch heuer die Reisernte unzureichend war.

Im nordkoreanischen Staatsfernsehen wurden Bilder über Visiten von Diktator Kim Jong-un in Fischbetrieben gezeigt, bei denen der Führer seine Leute zu Höchstleistungen antrieb. Es ist zudem bekannt, dass Nordkorea einen großen Teil seiner Devisen aus dem Fang von Meeresfrüchten, vor allem Riesenkrabben erwirtschaftet, nicht selten auch illegal. Jeffrey Kingston, Asienwissenschaftler von der Temple University Japan, denkt: „Die Geisterschiffe sind ein Barometer für die Lebenssituation in Nordkorea – kalt und traurig. Sie deuten auf Verzweiflung hin.“

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