Mit Federn, Haut und Haar

Ein paar persönliche Wünsche an das neue Jahr

Sprachqualität ist Lebensqualität. Daher wünsche ich mir mehr sprachliche Ästhetik, Bescheidenheit, Wahrhaftigkeit.

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Letzteres zuerst: Die Klimadebatte dreht sich fast nur um Wohl und Überleben der Menschheit. Verdrängt wird, dass dies ohne Rücksicht auf die anderen Arten und ihre Lebensräume nicht gelingen wird. Menschen und Biosphäre schaffen es mit anderen Tieren und Pflanzen – oder eben nicht. Man kann nicht die Gaia von Lynn Margulis und James Lovelock ermorden und glauben, wir Menschen blieben ungeschoren.

Doch der Artenschutz fristet eine Dornröschenrolle. Das muss sich im Regierungsprogramm ändern, sonst machen sich die Grünen lächerlich. Vom neuen Jahr wünsche ich mir, dass es Leute nicht mehr schrullig finden mögen, auch im Interesse des Insektenschutzes die Lichtverschmutzung einzudämmen. Einschließlich des Flutlichts in den Stadien.

Ich wünsche mir, dass Menschen den Tieren, mit denen und von denen sie leben, mehr Respekt zollen; dass etwa die Qualzucht aufhört, weil sie den Tieren schadet und eine Art kultureller Umweltverschmutzung darstellt. Wir brauchen keine Hunde, denen die Schnauzen weggezüchtet wurden, die daher nicht mehr richtig atmen können; auch keine Turbokühe mit 20.000 Liter Jahresmilchleistung, aber elend kurzem Leben im Stall, weil sie fürs Freiland nicht mehr taugen. Die will vielleicht die Milchindustrie, die Menschen aber brauchen sie nicht.

Durch Technisierung und Intensivierung der Landwirtschaft ohne Ökologisierung sind die Probleme von Mensch und Biosphäre nicht zu lösen. Es braucht wieder menschliches Maß, was auch ein Leben mit, nicht gegen die Natur bedeutet.

Themenwechsel: Sprachqualität ist Lebensqualität. Daher wünsche ich mir mehr sprachliche Ästhetik, Bescheidenheit (ich weiß, das schreibt der Richtige!) und Wahrhaftigkeit von allen, die ich hören und lesen darf. So ist die Omnipräsenz des Substantivischen besonders grauslich und ärgerlich. Mit Kurz, Ludwig & Co. zog ins Land, dass etwa eine Verhandlung nicht mehr bloß gut verlaufen kann, sondern eine „Gute“ sein muss. Substantivisch formuliert, mag eine Aussage an Gewicht gewinnen, und möglicherweise versuchen Würstchen, sich so zur respektablen Burenwurst aufzublasen. An dieser Stelle ein gutes altes „dennoch“ anstelle des germanoid-unnötigen „nichtsdestotrotz“: Die Inflation des Substantivischen bleibt schrecklich. Von den Journalisten wünsche ich mir schlicht mehr Herz und Gefühl für die heimische Sprache.

Apropos Journalisten: Magensäurefördernd wirken auch ihre sprachlichen „Verkürzungsfouls“. Was sagt mir das etwa, wenn Konrad Lorenz oder Peter Handke nur noch mit dem Attribut „umstritten“ vorkommt? Oder Umweltschützer, Reformer etc. als „selbsternannt“ (?!) verunglimpft werden. Erwartet man obrigkeitshörig ein staatliches Revoluzzerdiplom? Bedeutet man uns damit per Holzhammer, dass man mehr weiß, als uns doofen Medienkonsumenten zuzumuten ist? Oder fehlt schlicht die Zeit zum Denken und Formulieren? Qualitätsjournalismus muss sich eben auch durch eine angemessene Sprache auszeichnen.

Könnte ich noch seitenlang fortsetzen, aber was soll's: Prosit Neujahr und ein Gutes Neues, möglichst ohne exzessive Knallerei! Wir wollen doch nicht wieder Zehntausende Hunde, Katzen und Wildtiere traumatisieren, oder?

Zum Autor

Kurt Kotrschal, Verhaltensbiologe i. R. Uni Wien, Wolf Science Center Vet-Med-Uni Wien, Sprecher der AG Wildtiere/Forum Wissenschaft & Umwelt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2019)

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