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Von Klima-Hybris und Armutseifer getrieben

(c) Peter Kufner
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Katholische Kirche. Am Anfang eines Jahres voller wichtiger Weichenstellungen: Ungewissheit um Kardinal Christoph Schönborn.

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Das neue Jahr wird für die katholische Kirche in Österreich – nein, nicht entscheidend, aber wichtig. In Kärnten wird ein neuer Bischof sein Amt antreten, was jedoch außerhalb des Bundeslandes kaum jemanden bewegt. Dabei kann man die Auswahl eines Kärntner Slowenen durchaus historisch nennen. Noch vor einigen Jahren wäre das eine Sensation gewesen, die Proteste auf der einen und Begeisterung auf der anderen Seite ausgelöst hätte. Dass es jetzt ohne Risiko war, zeigt, wie sehr sich das Verhältnis zwischen den Volksgruppen in Kärnten entspannt hat, aber natürlich auch wie wenig die Vorgänge in der Kirche noch irgendjemanden aufregen.

Von landesweiter Bedeutung ist allerdings, dass der Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, am 22. Jänner 75 Jahre alt wird. Auf diesen Tag hin muss ein Bischof der römischen Kirche dem Papst seinen Rücktritt „anbieten“. Üblicherweise werden Bischöfe von der Bedeutung Schönborns um mindestens zwei Jahre im Amt verlängert. Schönborn hat aber Franziskus schon bei mehreren Gelegenheiten gebeten, ihn früher gehen zu lassen.

Nach einer Prostatakrebs-Operation im Frühjahr, von der er sich nach eigener Aussage gut erholt hatte, ist Schönborn nun Anfang Dezember an einer Lungenembolie erkrankt und hat sämtliche öffentlichen Auftritte und auch Gottesdienste über die Weihnachtszeit abgesagt. Durch seine Erkrankung sei ihm das Privileg physisch und seelisch sehr bewusst geworden, „das sein zu dürfen, was man wirklich ist, wenn man 75 ist: alt“, sagt der Kardinal. Ob der Papst ihn auch unter diesen Umständen drängen wird, länger zu bleiben, wissen nur die beiden.

Es wäre für die Kirche in Österreich dadurch nichts gewonnen, denn die Frage, wer Schönborn nachfolgen soll, würde in zwei Jahren nicht leichter zu beantworten sein als jetzt. Eine Gestalt wie Schönborn gibt es ohnehin nicht: ein wissenschaftlich qualifizierter Theologe, umfassend gebildet, von bezwingender Redegabe, international vernetzt, vielsprachig, persönlich einnehmend, liebenswürdig und von einer selbstverständlichen Sicherheit des Auftretens, die man nur aus einer Herkunft wie der seinen bekommt.

Es ist üblich geworden, bei Bischofsernennungen auf Nummer sicher zu gehen und zumindest für wichtige Bistümer jemanden zu nehmen, der Erfahrung in der Leitung einer Diözese hat. Auch das ist freilich keine Garantie gegen unliebsame Überraschungen wie mit Alois Schwarz in Kärnten, den man nach St. Pölten abziehen musste. Man wird daher mit einem der bisherigen Bischöfe rechnen können, wobei am ehesten die beiden Steirer, der Erzbischof von Salzburg, Franz Lackner, und der noch junge Bischof von Innsbruck, Hermann Glettler, infrage kommen. Für den müsste dann auch ein Nachfolger gefunden werden.

Die Stimme, die gehört wird

Für Ersteren sprechen seine fundierte theologisch-philosophische Bildung, die lange Erfahrung im Amt und das Prestige seiner jetzigen Diözese; für Letzteren eine gewisse Weltläufigkeit, die sich in einer engen Beziehung zu Kunst und Künstlern äußert. Seine Pfarrkirche in Graz hat er zu einem Schaustück moderner Kunst gemacht.

Freilich hält sich auch noch der eine oder andere Bischof für berufen. Ob überhaupt jemand im österreichischen Episkopat jene Führungskraft hat, die auch Schönborn je länger desto stärker gefehlt hat, ist zu bezweifeln. Wobei man nicht übersehen darf, dass der Vorsitzende der Bischofskonferenz – es ist üblicherweise der Erzbischof von Wien – keinen Entscheidungsvorrang gegenüber seinen Bischofskollegen hat, die in der Leitung ihrer Diözesen niemandem unterstehen. Aber seine Präsenz in der Öffentlichkeit und wegen der schieren Größe der Erzdiözese seine Rolle in der Weltkirche geben ihm eine herausragende Position. „Der Kardinal“ ist die einzige Stimme der Kirche, die gehört wird.

Aber wo steht die Kirche von Österreich vor dem möglichen Wechsel an der Spitze der Bischofskonferenz? Und wohin könnte ihr Weg gehen? Dass sie in den vergangenen Jahren an Glaubwürdigkeit und Ansehen verloren hat, ist unübersehbar. Daran ist sicher schuld, was man pauschal als den Missbrauchsskandal bezeichnet. Das allein ist es aber nicht.

Was ist die Botschaft?

Viele Katholiken und solche, die es gewesen sind (als zahlende Mitglieder, denn wirklich verlassen kann man die Kirche, wenn man getauft und gefirmt ist, nicht), aber auch mancher besorgte Außenstehende fragen sich, was eigentlich noch die Botschaft der Kirche ist.

Lautstark machen sich jene bemerkbar, die die Kirche an der Front einer sozialpolitischen Auseinandersetzung sehen wollen, denn das Evangelium sei ja eigentlich „politisch“. Damit bringen sie die Kirche absichtlich in bestimmte Allianzen und werfen die aus historischer Erfahrung gewonnene Regel vorsichtiger Distanz über Bord. Der Caritas-Präsident propagiert eine „neue Fortschrittsidee“ jenseits von „Gewinnmaximierung“. Wo das Geld verdient werden soll, mit dem die Armen versorgt werden können, oder mit dem – noch besser – Arbeitsplätze geschaffen werden können, beantwortet er nicht.

Dass zur Verkündigung des Glaubens auch die Sorge um die Armen, Kranken und Benachteiligten gehört, ist unbestritten und der Kirche eingeprägt. Bei der Begeisterung für die Armen geraten aber die Dimensionen aus dem Lot: Als ob in Österreich „die Armen immer ärmer“ würden, wie die falsche, aber eingängige Redensart lautet. „Arme“ – in der Nähe oder weit weg – wird zu einer verklärten Idealfigur. Der Papst trage schwarze Schuhe, die er sich auf den „Straßen der Armen“ abgetreten habe, schwärmen Journalisten, die offensichtlich noch nie in Argentinien waren. Die „Option für die Armen“ sei eine Option für die Armut, hat ein Kommentator einmal sarkastisch angemerkt.

Flucht vor der Kernaufgabe

Die katholische Kirche hat sich von der Klima-Apokalyptik mitreißen lassen und meint wohl, damit irgendwie Anschluss an die Gegenwart und die Stimmung der Zeit zu finden. Man hat zwar keine Neupriester mehr, dafür aber unbedingt eine Umweltschutzbeauftragte. Die „Bewahrung der Schöpfung“ gilt nun als der eigentliche Auftrag des Christentums. Aber für das Klima braucht man die Kirche nicht. Sonnenpaneele auf Kirchendächern mögen gut sein, wichtiger wäre aber, dass in der Kirche darunter ordentlich gepredigt wird.

Die Begeisterung in der Kirche für die angebliche Rettung der Welt (welch unchristliche Hybris!) und eine linke sozialpolitische Agenda scheinen eine Flucht vor der eigentlichen Aufgabe der Glaubensverkündigung und der „Rettung der Seelen“ zu sein, wie es früher auf den Kreuzen bei einer Volksmission zu lesen stand.

Dabei müsste schon jemandem aufgefallen sein, dass an einem guten katholischen Religionsunterricht (den gibt es weitherum durch engagierte Religionslehrerinnen) auch viele nicht katholische Kinder gern teilnehmen, weil sie dort etwas ganz Neues, nämlich von Jesus Christus hören, über den sonst niemand redet.

DER AUTOR

Hans Winkler war langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“.

Debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2020)

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