Baugeschichte

Revitalisierung am Rochusmarkt

Blick auf das Ensemble.
Blick auf das Ensemble.Alexander Krischner
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Architekt Stefan Tenhalter hat für seine Familie einen alten Gebäudekomplex revitalisiert. Die Vorgaben des Denkmalschutzes deckten sich mit seiner eigenen Philosophie.

Der Architekt Stefan Tenhalter ist ein Verfechter der Langsamkeit des Bauens. „Viele alte Häuser stehen jetzt noch, weil man sich damals Zeit genommen hat, sorgfältiger gearbeitet hat.“ Daher war er gleich elektrisiert, als er Anfang 2000 auf seinen Streifzügen nahe dem Rochusmarkt in einem Hinterhof zwei Gebäude entdeckte, die zwar „sehr heruntergekommen waren, im Grunde ein Rohbau mit Dach, mit kaputten Fenstern und Leitungen“, deren Potenzial er aber sofort erkannte. Ursprünglich waren die Gebäude, deren älteste Pläne aus dem Jahr 1780 stammen, Stallungen beziehungsweise eine Fuhrwerkremise. „Im Vorderhaus, das auf die Landstraße hinausgeht, war einst eine Fleischhauerei untergebracht.“ Als Tenhalter die Häuser entdeckte, gab es hier noch eine Mofa-Werkstatt. Gekauft hat er das Ensemble, als diese in Konkurs ging. „Der Kauf war dann ein ziemlich langwieriger Prozess“, konstatiert er trocken.

Alte Räume, zeitgemäß interpretiert.
Alte Räume, zeitgemäß interpretiert.Alexander Krischner

So original wie möglich

Und natürlich stand – und steht – das Ensemble unter Denkmalschutz. „Was gut war, denn dadurch war es überhaupt noch erhalten.“ Dem Denkmalamt war der Gesamteindruck im Innenhof mit den originalen Tür- und Fensteröffnungen wichtig, gartenseitig zeigte es sich aufgeschlossen. „Ich habe die Hofseite mehr oder weniger original belassen und konnte dafür in die Gartenfassade des Hauses, dessen Erdgeschoß fensterlos war, neue Öffnungen einbauen. Im Obergeschoß habe ich ein Fensterband realisiert, das für eine Sichtverbindung in den Garten sorgt.“ Besonders wichtig ist ihm bei Renovierungsarbeiten, so viel alte Substanz wie möglich zu erhalten und mit althergebrachten Materialien zu arbeiten. „Die Häuser sind im Prinzip sehr einfach gebaut: mit Ziegeln, Sand, Kalk und Holz.“ Als absolutes No-Go für ihn bezeichnet er den unreflektierten Einsatz von Bauchemie oder die Anbringung überputzter Wärmedämmungen an Altbaufassaden.
Diesen seinen Grundsätzen folgend, hat sich der Architekt für sein Haus also Zeit gelassen. Er studierte intensiv die alten Pläne, holte sich Baumaterialien wie Ziegelpflaster schon einmal aus Bauschuttcontainern. Die alten Dielen wurden gereinigt und wieder eingebaut, die erhaltenen Türen neu instand gesetzt und im Hausinneren viel Holz verwendet. „Alte Häuser“, sagt er, „haben ein Recht darauf, dass man sich intensiv mit ihnen beschäftigt.“

Ziegelpflaster und geschliffener Beton

Die beiden aneinandergebauten Häuser werden durch eine Treppe, die schon in den alten Plänen zu finden ist, getrennt. Unter dem Dach befand sich ursprünglich ein Trockenboden, hier wurde die Zwischendecke herausgenommen und ein großer Raum geschaffen. Das Bad im Obergeschoß erhält sein Licht durch ein großes Fensterelement, das auf eine kleine Terrasse führt. Die Böden im Erdgeschoß bestehen aus Ziegelpflaster und geschliffenem Beton, im oberen Geschoß aus den alten, gereinigten Dielen. Eines der wichtigsten Elemente eines Hauses sind für Tenhalter die Fenster. „Sie bestimmen wesentlich den Ausdruck eines Gebäudes. Für unsere Fenster haben wir geölte Eiche verwendet.“ Die Heizung ist eine Bauteilheizung, gespeist von einer Gastherme, die mit einer Solaranlage auf dem Dach – für das Warmwasser – kombiniert wurde. Auf eine Wärmedämmung der Außenwände hat er – seiner Philosophie folgend – komplett verzichtet. Das Hausinnere lebt hauptsächlich von den Raumdimensionen, der Lichtführung und den verwendeten Materialien. „Wir haben möglichst wenig an der Raumstruktur geändert. Wir wollten keinen Schnickschnack, wir hatten auch kein sogenanntes Einrichtungskonzept. Ein gutes Möbel ist ein gutes Möbel und passt letztlich überall hin“, meint er lapidar.

Druck auf den Ort

Tenhalter hat also sehr viel Zeit und Mühe in das insgesamt 240 Quadratmeter große Haus investiert. „Was wir damals aber nicht bedacht haben, ist, wie groß der Druck auf den Ort einmal werden würde.“ Immer mehr Häuser bekämen neue Eigentümer, die oft nur die Gewinnmaximierung im Blick haben. „Da bleiben dann oft die architektonischen, städtebaulichen und atmosphärischen Qualitäten auf der Strecke“, bedauert er. Dennoch möchte er mit niemandem tauschen. „Wir lieben unser Haus. Betritt man den Innenhof, fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Und wir werden alles tun, damit das so bleibt.“

Zum Ort

Der weitgehend mit Originalmaterialien in ein Einfamilienhaus umgebaute Gebäudekomplex aus dem 18. Jahrhundert in der Nähe des Wiener Rochusmarktes wurde einst als Stallung genutzt. Heute verteilen sich auf Erd- und Obergeschoß rund 240 Quadratmeter Wohnfläche, die ursprüngliche Raumstruktur blieb weitgehend erhalten. Wohneigentum im Erstbezug kostet im Bezirk Landstraße durchschnittlich 5256 €/m2, die Neubaumiete im Erstbezug 13,35 €/m2. Quelle: Wiener Wohnungsatlas/Otto Immobilien

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