In einem machtstrategischen Schachzug suchte der Premier um parlamentarische Immunität an – und gewann Zeit, um seinen Korruptionsprozess hinauszuzögern. Bei der dritten Wahl in elf Monaten droht ihm aber ein Denkzettel.
Wien/Jerusalem. Ein Lächeln, das Zuversicht ausstrahlen sollte, zog sich über das Gesicht Benjamin Netanjahus, als sich der israelische Premier am Neujahrsabend an die Nation wandte. In seiner Neujahrsbotschaft ging es indes nicht um die Zukunft des Landes, sondern vor allem um seine eigene. Und der Zeitpunkt seiner TV-Ansprache war auch weniger diktiert vom jahresbedingten Neubeginn als von gesetzlichen Fristen.
Drei Stunden vor Ablauf einer Deadline suchte der Premier um parlamentarische Immunität an – ein Novum in Israel.
Sonst hätte ihm die rasche Einleitung eines Gerichtsverfahrens in drei Korruptionsfällen gedroht. So verschaffte sichder „Magier“, als den ihn seine Anhänger apostrophieren, einen Spielraum von mehreren Monaten. Mindestens bis zur Parlamentswahl am 2. März und zur Konstituierung der Knesset bleibt er unangetastet von der Justiz. Es ist ein Etappenerfolg in einem Überlebenskampf, der das ganze Land zum Stillstand verurteilt und zu einer dritten Wahl innerhalb von elf Monaten zwingt. Immunität sei ein „Grundpfeiler der Demokratie“, sagte Netanjahu. Sein Tenor: Nicht die „juristische Elite“ soll ein Urteil über ihn fällen, sondern das israelische Volk.