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Türkis-Grün: Erst das Budget, dann der Klimaschutz

Sebastian Kurz und August Wöginger
Sebastian Kurz und August WögingerAPA/ROBERT JAEGER
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ÖVP und Grüne haben sich geeinigt: In Sachen Klimaschutz soll eine Task Force bis 2022 nach Lösungen suchen, mit türkisen Vorhaben soll es schneller gehen.

„Das Beste aus beiden Welten“ - jener, der ÖVP und jener der Grünen - sei im Regierungsprogramm vereint. Das betonten die Parteiobmänner Sebastian Kurz und Werner Kogler am Donnerstagnachmittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Heute, Freitag, wird der Kompromiss in den Gremien diskutiert, morgen, Samstag, hat der grüne Bundeskongress in Salzburg darüber abzustimmen - akzeptiert er das Abkommen, so steht der Angelobung der ersten türkis-grünen Bundesregierung nichts mehr im Wege. Während Kogler sich zuletzt optimistisch zeigte, gibt es aber durchaus auch Kritik am rund 300 Seiten umfassenden Programm.

Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger hält die Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut für unzureichend - und ist „besonders schockiert", dass die menschenrechtswidrige „Sicherungshaft" eingeführt werden soll. Der Österreichische Frauenring begrüßte zwar, dass mehr als die Hälfte der Regierungsmitglieder weiblich sein werden, bedauerte aber, dass es kein eigenständiges Frauenministerium geben wird, sondern diese Agenden zu Integrationsministerin Susanne Raab wandern.

>>> Leitartikel: Das türkis-grüne Programm: Geduld und Geschenke

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) befand lediglich das geplante österreichweite Ticket für öffentliche Verkehrsmittel als positiv, beanstandete aber, dass die Studienbeiträge bleiben, die Zugangsbeschränkungen ausgebaut und das Studienrecht verschärft werden soll. Besonders unzufrieden zeigte sich die Klimabewegung Fridays For Future: Sie plant für Freitag, 13 Uhr, eine Menschenkette um das Bundeskanzleramt, weil ihrer Ansicht nach die vorgesehene Ökologisierung des Steuersystems ab 2022 „nicht der Dringlichkeit der Lage" entsprechen würde.

„Legitim“, dass CO2-Maßnahmen dauern

Immerhin: Die von vielen Experten geforderte CO2-Steuer findet sich nicht im Regierungsprogramm. Vereinbart wurde zwischen ÖVP und Grünen stattdessen, dass in den kommenden zwei Jahren eine Arbeitsgruppe Überlegungen anstellen solle, wie CO2 einen Preis bekommen könnte. Für August Wöginger, Klubobmann und einer der Hauptverhandler der Volkspartei, ist dieses Vorgehen gerechtfertigt: „Werner Kogler hat das schön gesagt: Nicht einmal Nobelpreisträger haben diesbezüglich schon Lösungsansätze, daher ist es aus unserer Sicht auch legitim und notwendig, sich die Zeit dafür zu nehmen.“ 

Jetzt habe Priorität, ein Budget zu schnüren und die von der Volkspartei versprochenen steuerlichen Entlastungen umzusetzen, betonte Wöginger am Freitag im Ö1-„Morgenjournal“. Danach gefragt, ob er glaube, dass Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer die festgeschriebenen ökologischen Ziele mittragen werden, gab sich der türkise Klubchef zuversichtlich: Er gehe davon aus, dass es eine „Zustimmung von allen Teilorganisationen und den Bundesländern“ geben werde.

Auf die Frage, welche Kompromisse für die ÖVP schmerzliche waren, wich Wöginger hingegen aus: „Früher hat es oft Regierungsprogramme gegeben, da wurde der kleinste gemeinsame Nenner gesucht. Jetzt haben wir ein Regierungsprogramm, wo letzten Endes ganz klar sichtbar wird: Wofür stehen diese beiden Parteien“, meinte er lediglich, um dann hinzuzufügen: „Ich glaube, es ist allen bewusst, dass Klimaschutz ein wichtiges Thema ist und die Grünen sind natürlich auch aus ihrer Historie heraus prädestiniert für dieses Thema. Uns war wichtig, die Steuerreform fortzusetzen, die harte Linie bei der Migration fortzusetzen und letzten Endes auch den Standort gut abzusichern.“ 

Stichwort Migration: Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass - sollte eine ähnliche Krise wie 2015 eintreten - und sich ÖVP und Grüne nicht auf gemeinsame Maßnahmen einigen können, beide Parteien unabhängig voneinander Gesetzesinitiativen im Parlament einbringen dürfen. Je nachdem, wer eine Mehrheit erhalte, könne die Maßnahmen dann umsetzen. Diese Abmachung sei für eine „absolute Notsituation“ gedacht, erläuterte Wöginger im ORF-Radio. 

Fahrplan

Nach der Präsentation des türkis-grünen Regierungsprogramms verschiebt sich der Fokus der Koalitionswerdung nun von Wien nach Salzburg. Dort tagen die Parteigremien der Grünen: Zunächst ab Freitagmittag der Erweiterte Bundesvorstand, am Samstag dann ganztägig der letztentscheidende Bundeskongress.

Wenn dieser dem Koalitionspakt mit der ÖVP sowie dem grünen Regierungspersonal seine Zustimmung gibt, ist der Weg zur Angelobung des Kabinetts Kurz/Kogler durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 7. Jänner frei.

Auch bei der ÖVP gibt es zumindest symbolisch noch eine Gremiensitzung: Freitagvormittag tagt der Bundesparteivorstand in der Politischen Akademie in Wien.

>>> August Wöginger im Ö1-„Morgenjournal“ 

(hell/APA)

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