Reaktionen

UN-Expertin: Tötung Soleimanis könnte Menschenrechtsverletzung sein

Ein Demonstrant hält in Teheran ein Bild des getöteten Generals Soleimani in die Höhe.
Ein Demonstrant hält in Teheran ein Bild des getöteten Generals Soleimani in die Höhe.APA/AFP/ATTA KENARE
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Der Einsatz von Drohnen oder anderen Mitteln für gezielte Tötungen ist außer bei aktiven Kampfhandlungen fast nie legal. Eine Zusammenfassung der internationalen Reaktionen auf die Tötung des iranischen Generals durch die USA.

Die gezielte Tötung desiranischen Generals Qassem Soleimani durch das US-Militär ist nach Auffassung einer UN-Menschenrechtsexpertin wahrscheinlich ein Verstoß gegen internationales Recht. "Rechtfertigungen für solche Tötungen sind sehr eng definiert, und es ist schwer vorstellbar, wie eine davon auf diese Tötungen angewendet werden kann", twitterte Agnes Callamard, die unabhängige Berichterstatterin des UN-Menschenrechtsbüros für außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen.

Der Einsatz von Drohnen oder anderen Mitteln für gezielte Tötungen sei außer bei aktiven Kampfhandlungen fast nie legal. Tödliche Gewalt sei höchstens erlaubt, wenn unmittelbar Gefahr für Leben bestehe. "Dass jemand in der Vergangenheit an Terrorangriffen beteiligt war reicht nicht aus, um eine solche Tötung legal zu machen", schrieb Callamard.

Die französische Politologin arbeitet an der Columbia-Universität in New York. Als UN-Berichterstatterin untersuchte sie unter anderem den Mord an dem regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul. Sie verlangte in ihrem Untersuchungsbericht im vergangenen Jahr eine internationale Strafuntersuchung gegen den saudischen Kronprinzen und Vertraute. Sie habe glaubhafte Beweise für deren Beteiligung an dem Mord gefunden.

Die Ereignisse im Irak riefen weltweit Reaktionen hervor - mit geopolitisch verständlicherweise unterschiedlichsten Standpunkten. Hier eine Zusammenfassung:

Iran

Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei schwor Rache. Er drohte den "Verbrechern", die für den Tod des Kommandanten der iranischen Al-Quds-Brigaden verantwortlich seien, mit "schwerer Vergeltung". Zudem rief er eine dreitägige Staatstrauer aus.

Der iranische Präsident Hassan Rouhani kündigte an, sein Land und die "freien Nationen der Region" würden sich an den USA rächen. Außenminister Mohammed Jawad Sarif bezeichnete die Tötung Soleimanis als "extrem gefährliche" und "dumme Eskalation". Zehntausende Iraner gingen in Teheran nach den Freitagsgebeten auf die Straße.

Irak

Die irakische Regierung warnte vor einer verheerenden militärischen Eskalation. Der Angriff werde "einen zerstörerischen Krieg im Irak auslösen", erklärte der geschäftsführende irakische Regierungschef Adel Abdel Mahdi. Er sei zudem ein "ungeheuerlicher Verstoß" gegen die Sicherheitsvereinbarung mit den USA, die die Bedingungen für die US-Präsenz im Irak regelt. Mahdi bezog sich insbesondere auf den bei dem US-Angriff ebenfalls getöteten Vize-Chef der pro-iranischen Hashed-al-Shaabi-Milizen, Abu Mehdi al-Muhandis.

Der einflussreiche irakische Schiitenführer Moktada al-Sadr rief seine Anti-US-Miliz wieder zum Kampf. Ein Kommandant der Hashed-al-Shaabi-Milizen rief seine Kämpfer ebenfalls in Alarmbereitschaft.

Der oberste schiitische Geistliche des Irak verurteilte den tödlichen US-Angriff scharf. Die Attacke sei eine "unverhohlene Verletzung der irakischen Souveränität", ließ Großayatollah Ali al-Sistani erklären.

USA

Die US-Regierung rief ihre Bürger dazu auf, den Irak umgehend zu verlassen. US-Bürger sollten mit Flugzeugen ausreisen, solange dies möglich sei.

US-Außenminister Mike Pompeo beteuerte, seine Regierung sei nun um eine "Deeskalation" bemüht. Zudem erklärte Pompeo, habe mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas (SPD) über die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump gesprochen, Soleimani in einer "defensiven" Aktion zu "eliminieren".

Die oppositionellen Demokraten monierten, dass der US-Kongress über den bevorstehenden Angriff im Irak nicht informiert worden sei. Ex-Vizepräsident und Präsidentschaftsbewerber Joe Biden sagte, Trump habe "eine Dynamitstange in ein Pulverfass gesteckt".

Hisbollah (Libanon)

Der libanesische Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah rief zur Vergeltung auf. Die "verbrecherischen Mörder" müssten eine "gerechte Bestrafung" erhalten. Dazu seien alle "Widerstandskämpfer" weltweit verpflichtet. Nasrallah verwendet diesen Begriff gemeinhin in Zusammenhang mit seiner schiitischen Miliz und deren Verbündeten.

Syrien

Auch aus Syrien kam scharfe Kritik. Damaskus verurteile die "niederträchtige amerikanische Aggression" und sehe in ihr eine "schlimme Eskalation" für den Nahen Osten, berichtete die amtliche syrische Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf eine Quelle im Außenministerium.

Türkei

Die türkische Regierung appellierte an alle Beteiligten, zurückhaltend und mit "gesundem Menschenverstand" zu handeln. "Wir sind zutiefst besorgt über die eskalierenden Spannungen zwischen den USA und dem Iran in der Region", hieß es in einer am Freitagnachmittag verschickten Stellungnahme des Außenministeriums in Ankara. Die Tötung von Soleimani werde das "Misstrauen und die Instabilität in der Region" vergrößern. Die Diplomatie müsse nun Vorrang haben.

EU

Der "Kreislauf aus Gewalt, Provokationen und Vergeltungen" der vergangenen Wochen müsse beendet werden, forderte EU-Ratspräsident Charles Michel. "Eine weitere Eskalation muss unter allen Umständen verhindert werden."

Deutschland

Die Bundesregierung warnte vor einer Spirale der Gewalt. "Angesichts der jüngsten Entwicklung sehen wir die Gefahr einer Eskalation", sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Es komme nun darauf an, "mit Besonnenheit und Zurückhaltung zu einer Deeskalation beizutragen".

Russland

Moskau bezeichnete den US-Angriff als "abenteuerlichen Schritt". Soleimani habe dem Schutz der "nationalen Interessen" des Iran gedient, erklärte das Außenministerium laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen.

Frankreich

"Wir sind in einer gefährlicheren Welt aufgewacht", sagte die französische Europaministerin Amélie de Montchalin dem Radiosender RTL. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron werde bald mit Akteuren in der Region sprechen.

Großbritannien

London habe zwar "immer die aggressive Bedrohung" durch Soleimani und die von ihm befehligten Al-Quds-Brigaden anerkannt, sagte der britische Außenminister Dominic Raab. Zugleich forderte er Zurückhaltung: Ein "weiterer Konflikt" liege nicht im Interesse Londons.

(APA/dpa)

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