Ein milder Blick zurück von Richard Nimmerrichter alias „Staberl“ .
„Die Presse“: Was wird sich in der „Krone“ nach dem Tod Hans Dichands ändern?
Richard Nimmerrichter: Das weiß ich nicht. Meinen dürftigen Informationen zufolge war Dichand ja zuletzt Alleinherrscher.
War er das denn nicht immer?
Nimmerrichter: Zu meiner Zeit nicht immer. Ich hatte von Dichand einen Arbeitsvertrag, der mir vollkommene Freiheit gab. Die „Krone“ hatte nicht das Recht, mir ein Thema vorzuschreiben oder mein Skript zu kürzen.
Hätten Sie die Anti-EU-Line der „Krone“ mitgetragen?
Nimmerrichter: Nein. Diesen EU-Kannibalismus kann ich nicht nachvollziehen. Das kam ja erst nach meinem Abgang, auch diese Leserbriefe-Flut. Wir – Dichand inklusive – haben doch alle für die EU gestimmt. Das würde ich heute noch tun, auch wenn ich mir der Schwächen dieser Organisation durchaus bewusst bin.
Hatten Sie nach Ihrem Abgang von der „Krone“ 2001 noch Kontakt mit Dichand?
Nimmerrichter: Nur mehr zufällig, obwohl ich überhaupt nicht im Bösen gegangen bin. Schon 1985, als ich das gesetzliche Pensionsalter erreichte, habe ich zu Dichand gesagt: „Du, ich möchte eigentlich aufhören.“ Da hat er an meine Loyalität appelliert, und ich blieb. Dichand hat mir ja einen Traumjob gegeben. Heute gibt's keine Zeitung mehr, die einem Kolumnisten solche Freiheiten einräumt.
Was war besonders an Dichand?
Nimmerrichter: Sein ungeheures Gespür für latente Strömungen in der Bevölkerung. Ich glaube, das ist ihm im Alter ein bisschen verloren gegangen. Zum Beispiel hätte er früher mit Sicherheit keine offizielle Wahlempfehlung für die Frau Rosenkranz abgegeben.
Sind Dichands Kinder in der Lage, die Zeitung weiterzuführen?
Nimmerrichter: Bitte fragen Sie mich etwas Leichteres!
Nach seinem Tod hinterlässt Dichand nun ein Machtvakuum.
Nimmerrichter: Das ist sehr gelinde ausgedrückt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2010)