1920er-Jahre

Unsere Lempicka hieß Lydis

Die Malerin und ihr Modell: Mariette Lydis in ihrem Pariser Atelier.
Die Malerin und ihr Modell: Mariette Lydis in ihrem Pariser Atelier.(c) Roger Viollet via Getty Images
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Auch Wiens Kunstszene hatte in den 1920er-Jahren eine Femme Fatale: die Malerin Mariette Lydis, heute nahezu vergessen. Aber es wird. Dank Ausstellungen wie „Stadt der Frauen“.

Schwere Lider über kühlen Augen, blonder Bubikopf, rote Lippen, das Lenkrad des grünen Bugatti fest in der Hand: Die Malerin Tamara de Lempicka porträtierte sich 1925 in Paris in ihrem „Autoporträt“ als Ikone einer neuen, selbstbewussten, verruchten Frauengeneration. Lempicka steht für vieles, was man aus heutiger Sicht an diesem Aufbruch damals bewundern kann – vor allem für die wirtschaftliche und sexuelle Freiheit von Frauen. Was in den 2010er-Jahren als queere Kunst international für Furore sorgte und immer noch sorgt, war in der weiblichen Pariser Avantgarde der „wilden“ 1920er-Jahre schon angelegt.

Dagegen wirkt die Wiener Kunstszene jener Zeit erschreckend bieder, denkt man. Denkt an brave Stillleben, hübsche Wiener-Werkstätte-Ausläufer, modische Keramikkünstlerinnen, an die eher technisch-abstrakten Fantasien der Kinetistinnen.

Man denkt falsch, meint zumindest die Kunsthistorikerin Sabine Fellner. Anfang 2019 kuratierte sie im Unteren Belvedere die bahnbrechende Ausstellung „Stadt der Frauen“, in der eine Vielzahl teils völlig vergessener Künstlerinnen vorgestellt wurden. Sie waren meist nicht besser, aber auch nicht schlechter als ihre männlichen Kollegen, die heute bei weitem bekannter sind. Mit Klimt und Schiele nicht vergleichbar. Aber durchaus mit vielen anderen.

Irrsinnig aufmüpfig. „Die Künstlerinnen damals waren eigentlich irrsinnig aufmüpfig“, findet Fellner. Es gab viele Paradebeispiele für die neue sexuelle Emanzipation der Frauen damals, in Paris natürlich, im deutschen Bauhaus, in der Tanzszene, aber eben auch in Wien. „Man weiß davon nur heute nichts mehr“, so Fellner. Als Femme Fatale der Wiener Kunstszene, in ihrem Ruf Tamara de Lempicka vergleichbar, nennt sie sofort Mariette Lydis (1887–1970): „Sie führte ein äußerst glamouröses Leben an unterschiedlichsten Orten, war dreimal verheiratet, lebte offen bisexuell und war eng mit der Pariser Avantgarde verbandelt.“

Andererseits, so Fellner, hatte Lydis aber auch ein starkes künstlerisches Interesse für soziale Themen, so wie Künstlerinnen sich überhaupt früh sozial Ausgegrenzten widmeten. Lydis gab also nicht nur Zyklen wie ihren ersten, „Lesbierinnen“, heraus, obwohl sie für erotische Illustrationen berühmt werden sollte. Sie porträtierte in „Les Criminelles“ auch Mörderinnen im Gefängnis, ein großes Tabu damals. Die Radierungen wurden in Wien und in London gefeiert. Lydis ging „sehr offensiv mit den relevanten Themen ihrer Zeit um, agierte sehr mutig“, so Fellner. Aus ihrem Leben aber sind nur wenige Details bekannt.

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