Der König der Kampagne: Freundlich und skrupellos

Koenig Kampagne Freundlich skrupellos
Koenig Kampagne Freundlich skrupellos(c) Reuters (LeonhardFoeger)
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Für Waldheim, gegen Schüssel, für die Au, gegen die EU, für und gegen den Semmeringtunnel: Hans Dichand machte mit seinen hemmungslosen Feldzügen Auflage.

Hans Dichand hatte eine Vorliebe für Kampagnen, für Tiere und in seiner letzten Lebensdekade auch für Werner Faymann. Was lag da also näher als die „Kronen Zeitung“-Analyse „Wen würden Tiere wählen?“ im Nationalratswahlkampf 2008. Werner Faymann natürlich, wen sonst.

Die Kampagne für Faymann war Dichands letzte in großem Stil. Jene für FPÖ-Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz versandete bekanntlich nach wenigen Tagen. Wochenlang hatte die „Kronen Zeitung“ 2008 für den neuen SPÖ-Kanzlerkandidaten und gegen die Konkurrenz von der ÖVP angeschrieben. Mit ambivalentem Erfolg: Die SPÖ verlor zwar sechs Prozentpunkte, behielt aber immerhin den Kanzler.

Mit Kampagnenjournalismus war Hans Dichand groß geworden, er machte damit Stimmung und Auflage. Er ging dabei nicht wirklich nach einem stringenten System vor, sondern vertraute mehr seinem „Gespür“ für das Gefühlsleben des kleinen Mannes, wie Wegbegleiter immer wieder bewundernd anmerkten.

An sich kein großer Freund der Partei der Grünen, engagierte sich Dichand für Umwelt- und Naturschutz: Eine seiner ersten erfolgreichen Kampagnen war jene für die Rettung des Sternwarteparks in Wien-Währing. In der Folge musste sogar der Wiener SPÖ-Bürgermeister Felix Slavik zurücktreten. Seinen nachhaltigsten Triumph feierte Dichand mit der Verhinderung des Donaukraftwerks in der Hainburger Au.

EU-Linie: Radikaler Wechsel

Mitunter änderte er auch radikal seine Kampagnenlinie: War Hans Dichand vor der Volksabstimmung 1994 noch vehement für Österreichs EU-Beitritt eingetreten – und hatte damit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die überragende Zustimmung von 66Prozent geleistet –, wandte er sich danach von Brüssel ab und führte einen erbitterten Feldzug gegen die Europäische Union, die in einer Kampagne gegen den Vertrag von Lissabon gipfelte. Schon zuvor hatte er gemeinsam mit der FPÖ gegen das Atomkraftwerk in Temelín mobil gemacht.

Besonders skurril war die Haltung der „Krone“ in der Frage des Baus des Semmeringtunnels: In ihrer Niederösterreich-Ausgabe war sie dagegen – in ihrer Steiermark-Ausgabe dafür.

Pröll, Martin, Einem, Schmidt

Auch in der Bewertung des innenpolitischen Personals ging Hans Dichand nach dem Schwarz-Weiß-Schema vor: Bruno Kreisky, Helmut Zilk, Erwin Pröll oder Hans-Peter Martin, für den er bei den EU-Wahlen kampagnisierte, waren wohlgelitten und wurden unterstützt. Aber wehe, man stand ihm nicht zu Gesicht: Politiker wie Erhard Busek, Heide Schmidt, Rudolf Scholten oder Caspar Einem, die er für abgehoben und wenig volksnah hielt, wurden von ihm gnadenlos der Verachtung preisgegeben und lächerlich gemacht. Jüngster Neuzugang in diesem Kreis: Steiermarks Landeshauptmann Franz Voves.

Und während er dem früheren Bundespräsidenten Kurt Waldheim unverbrüchlich die Treue hielt und die Kampagne gegen die „Campaign“ anführte, versuchte er Wolfgang Schüssel als Kanzler zu verhindern. Doch der damalige ÖVP-Chef ignorierte den Medienmachthaber in der Muthgasse und regierte gegen ihn.

Allerdings sah sich auch Schüssel gezwungen, Zugeständnisse zu machen. Vor der Nationalratswahl 2002 versprach er ausgerechnet in der „Kronen Zeitung“ ein neues einheitliches Tierschutzgesetz. Denn, wie gesagt, Tiere liebte Hans Dichand über alles.

Volkszorn in den Leserbriefen

Vor allem die von ihm selbst redigierten Leserbriefseiten wurden immer mehr zu einem Forum für Dichands Kampagnen. In den vergangenen Jahren wurde hier vor allem der Volkszorn gegen die Europäische Union kanalisiert und instrumentalisiert. Dichand hielt die EU für undemokratisch, für ein Projekt der Eliten gegen den kleinen Mann, das der Republik Österreich die Souveränität raube.

Doch Dichand ließ sich dabei nicht nur von politisch-ideologischen Motiven leiten, sondern nicht zuletzt von geschäftlichen. Er war der festen Überzeugung, dass die Mehrheit der Österreicher der EU mittlerweile kritisch gegenüberstehe – und diese wollte er bedienen respektive als Leser halten. So, glaubte Dichand, sei es ihm auch gelungen, die neue Konkurrenz von „Österreich“ auf Distanz zu halten. Wäre das Fellner-Blatt so EU-kritisch wie die „Krone“, dann wäre der Unterschied in den Leserzahlen geringer.

Hans Dichand war ein Meister der Kampagne, auch vor Verletzungen, Vereinfachungen und Verunglimpfungen schreckte er dabei nicht zurück. Er selbst ließ sich davon kaum emotionalisieren, er führte seine Feldzüge ohne Schaum vor dem Mund, eher mit einem schelmischen Lächeln.

Insgeheim wusste er um seine Macht, und er wusste sie auch einzusetzen – und konnte dabei persönlich freundlich und verbindlich bleiben. Davon wissen Legionen von Politikern zu berichten, die im 16.Stock des Pressehauses an der Heiligenstädter Lände von Hans Dichand zum Kaffee geladen waren, oder in die Bar des Ringstraßenhotels Bristol.

Wie die damalige Außenministerin Ursula Plassnik, der er laut ihren Angaben im „Krone“-Haus ein „unmoralisches Angebot“ unterbreitete: „Ich weiß, wie Sie Ihre Partei retten können. Indem Sie für eine Volksabstimmung über den EU-Vertrag sind!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2010)

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