Leitartikel

Die Grenzen des höflichen Nebeneinander

Schwierig wird Türkis-Grün vor allem für den politischen Mitbewerber.
Schwierig wird Türkis-Grün vor allem für den politischen Mitbewerber.(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Die Grünen haben Ja gesagt, und keiner ist überrascht. Die Frage ist nun: Können die Grünen fünf Jahre lang vermitteln, dass sie irgendwie Teil dieser Regierung sind, aber irgendwie auch nicht?

Die Grünen sagen Ja. Extralaut. Und keiner hat daran gezweifelt. Mit wie wenig Spannung dem Bundeskongresses entgegengeblickt wurde, verrät viel über die Verfasstheit der Partei. Die Grünen werden erwachsen, lautet der mediale Befund. Wobei: Eigentlich sind sie das schon eine ganze Weile. (An dieser Stelle: Warum diskutiert man nie, ob die Neos „erwachsen“ sind? Oder die Ex-Ibiza-FPÖ?) Wenn nicht der Rauswurf aus dem Parlament samt der folgenden Rosskur für einen Realitätsschock sorgt, was denn dann? Die Grünen wissen noch gut, wo sie waren. Und dort wollen sie nicht mehr hin.

Insofern ist das Staunen über grünen Pragmatismus größer, als es sein müsste. Man müsste eher grübeln, ob die Grünen nun zu „erwachsen“ sind. Türkis und Grün haben sich jedenfalls zu einer sehr abgeklärten Arbeitsbeziehung entschlossen: höfliche Co-Existenz. Jeder darf sich auf seinem Spielfeld durchsetzen – halt im Ausmaß seiner Macht. Das ist nach Jahren der zähen GroKo-Kompromisse zunächst fast erleichternd. Aber auch riskant. Also für die Grünen. Zum einen, weil es einen Eindruck verstärkt, den sie vermeiden wollten, nämlich dass sie als De-facto-Single-Issue-Partei am liebsten still in der Öko-Ecke spielen würden. Zum anderen stehen die Grünen nun für Projekte, die sich für sie programmatisch nicht ausgehen – und zwar ganz ohne „eigentlich“. Und nein, hier ist nicht die viel zitierte Sicherungshaft gemeint, die die ÖVP als Duftmarke für Ex-FPÖ-Wähler hineinreklamiert hat, aber offenbar nicht dringend umsetzen will. Vielmehr ist circa das ganze Migrationskapitel Anti-Grün. Die Preisfrage lautet: Können die Grünen fünf Jahre lang glaubhaft vermitteln, dass sie Teil der Regierung sind, aber irgendwie auch nicht? Dass sie „Grauslichkeiten“ (© Grüne) mittragen, weil der Preis passt, aber nicht dafür geradestehen wollen? Nicht so richtig? Solange Politik auf dem Papier stattfindet, geht das irgendwie, im Alltag gerät so ein Nebeneinander aber an seine Grenzen. Sprich: Das wird ein ziemlicher Eiertanz.

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