Mit Microsofts neuem Steuersystem Kinect regieren Gesten und Sprachkommandos das Wohnzimmer. Dadurch sollen Videospiele massentauglicher werden. Microsoft denkt aber noch weiter.
Los AngeleS/Wien.Geht es nach dem Willen von Microsoft, wird die Fernbedienung in Zukunft überflüssig sein. Der Hersteller hat diese Woche auf der Electronic Entertainment Expo (E3) in Los Angeles, der weltgrößten Videospielmesse, sein neues Steuerungskonzept Kinect vorgestellt. Dieses misst per Kamera die Bewegungen der Personen vor dem Fernseher und setzt sie entweder direkt um oder interpretiert sie als Kommandos. Vorrangig ist das System für die Videospielkonsole Xbox 360 gedacht und soll eine Steuerung von Spielen mit dem gesamten Körper ermöglichen. Dadurch sollen Videospiele massentauglicher werden. Microsoft denkt aber noch weiter.
Da Kinect auch über ein Mikrofon verfügt, lässt sich, wie auf der E3 vorgeführt, auch ein Videochat durchführen. Die Kamera folgt dabei den Teilnehmern („headtracking“), die Software ermöglicht es, gemeinsam Filme zu schauen oder durch Nachrichten zu stöbern. Über das Mikrofon lassen sich auch Kommandos an das System weiterleiten. „Xbox, Film ab!“ heißt es dann etwa, sobald man den für die Konsole verfügbaren Filmverleihdienst Zune Video aktiviert. Per Handgeste kann man zur Lieblingssequenz vorspulen.
Grenzen aufgeweicht
Microsoft kündigte während seiner E3-Präsentation vollmundig an, mit der neuen Steuerung die Branche revolutionieren zu wollen. Gemeint war eigentlich die Spielebranche. Mit der Kinect-Erweiterung zur Spielkonsole beginnt der Hersteller aber im Bereich der klassischen Unterhaltungselektronik zu wildern. Eine Lektion, die Microsoft von Sony gelernt hat. Dessen Playstation 2 und Playstation 3 wurden von vielen nicht primär gekauft, um damit zu spielen, sondern weil sie günstige DVD- beziehungsweise Blu-ray-Abspielgeräte darstellen. Sony hat mit einem Update die Playstation 3 sogar zur 3-D-fähigen Konsole erweitert, die nicht nur Filme, sondern auch Spiele dreidimensional darstellen kann – ein passendes TV-Gerät und 3-D-Brillen vorausgesetzt.
Microsoft setzt hier nach und will auch die Xbox 360 um eine Dimension erweitern. Passenderweise hat der Hersteller gleich seine Xbox 360 verbessert. Sie wurde verkleinert und in ein schnittiges schwarzes Gehäuse verpackt. Weiters soll sie um einiges leiser sein – bisher ein großer Kritikpunkt an der Konsole.
Sony will mit seinem Steuerungssystem PlayStation Move ebenfalls mehr in Richtung Gelegenheitsspieler gehen. Dabei handelt es sich aber um einen Controller, der dem der Konsole Nintendo Wii ähnelt. Beide setzen die Bewegungen des Spielers auf dem Bildschirm entsprechend um. Sonys Move soll aber um einiges präziser arbeiten und sich so auch für eingefleischte Spielefans eignen.
Die heurige E3 hat gezeigt, dass die Grenzen zwischen reinem Spiel und Familienunterhaltung immer mehr verschwinden. Ob in Zukunft – wie von Microsoft propagiert – wirklich keine Fernbedienung mehr nötig sein wird, bleibt aber abzuwarten. Die klassischen Entertainment-Hersteller werden dabei sicherlich nicht tatenlos zusehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2010)