Polit-Karriere

Sigrid Maurer: Von der Rebellin mit Parlamentsverbot zur Klubchefin

Sigrid Maurer am Bundeskongress der Grünen in Salzburg
Sigrid Maurer am Bundeskongress der Grünen in SalzburgAPA/BARBARA GINDL
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Die 34-jährige Grüne war einst eine scharfe Kritikerin von Sebastian Kurz. Nun warb sie für den Eintritt in die türkis-grüne Koalition.

Sigrid Maurer schafft etwas, was vor ihr wohl noch niemandem gelungen war: Eine Politikerin, die nach einer Flugzettel-Aktion sogar Parlamentsverbot hatte, wird Klubobfrau - und das sogar einer Koalitionsfraktion. Maurer hat angekündigt für diese Funktion zur Verfügung zu stehen und soll demnächst vom Grünen Klub zur Obfrau gewählt werden.

Es war aber nicht der Aktionismus aus ihrer Zeit als ÖH-Chefin, der die Lehrertochter aus der Tiroler Gemeinde Telfes zur Göttinseibeiuns konservativer Kreise machte, sondern ein erhobener Mittelfinger gegen ihre "Hater" im Internet. Den zeigte sie in die Kamera, kurz nachdem der Wähler die Grünen ins parlamentarische Out manövriert hatte. Der Boulevard schäumte und die Parteien rechts der Mitte inklusive ihrer Wählerschaft taten eifrig mit.

Die 34-Jährige hat in den vergangenen Wochen einen Imagewandel vollzogen - oder zumindest eingeleitet. Von der polarisierenden Rebellin zur pragmatischen Verhandlerin. Im Wahlkampf hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz sie sogar namentlich als Ministerin ausgeschlossen. An Grün-Politikern wie Maurer könne die Koalition, wie es hieß, scheitern. „Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, ich bin nämlich eigentlich eine ganz Nette“, sagte sie damals zu diesem Vorwurf. Nur einmal, kurz nach der Wahl, ließ sie noch mit einer provokanten Aussage aufhorchen: Die ÖVP müsse, wie sie sagte, eine 180-Grad-Wende vollziehen. Zuletzt hörte sich das anders an. Maurer, die Teil des grünen Verhandlerteams war, machte für die Koalition offensiv Werbung.

Größes öffentliches Gewicht als ÖH-Chefin

In die hohe Politik ist Maurer eher hineingestolpert, als sie sich in der Österreichischen Hochschülerschaft bei deren Grünen Zweig zu engagieren begann, weil dem von ihr belegten Institut für Musikwissenschaften in Innsbruck die Abschaffung drohte. Dass sie trotz eines davor enttäuschenden Wahlergebnisses als ÖH-Vorsitzende mehr öffentliches Gewicht als die meisten Vorgänger und Nachfolger hatte, war Zufall, ging doch gerade damals die "Uni brennt"-Aktion in Szene. Die Hochschülerschaft war da eher Beifahrerin, aber Maurer hatte das, was den meisten Studentenpolitikern fehlt, öffentliches Gehör.

Sigrid Maurer im ÖH-Wahlkampf 2009 für die Gras
Sigrid Maurer im ÖH-Wahlkampf 2009 für die GrasClemens Fabry

Eine Protestaktion während einer Budgetdebatte kurz vor Weihnachten 2010 brachte Maurer ein 18-monatiges Parlamentsverbot ein, das vielleicht sogar ein Turbo für ihre Kandidatur in den Reihen der Grünen zwei Jahre später war. Der Parlamentseinzug gelang dann auch, Maurer widmete sich in erster Linie der Wissenschaftspolitik.

Obzöne Nachrichten und Gerichtsverhandlungen

Nachdem die Grünen abdanken mussten, hatte Maurer, die Politik- ebenso wie Musikwissenschaften belegte und ihren Bachelor letztlich in Soziologie holte, mit der Politik schon mehr oder weniger abgeschlossen und sich eine neue Aufgabe im Institut für Höhere Studien gesucht. Doch ein höchst unangenehmer Zwischenfall brachte der deklarierten Feministin ungewollte Aufmerksamkeit. Als sie mit obszönen Nachrichten belästigt wurde, outete sie den Namen des Mannes, den sie verantwortlich machte. Der klagte, bekam im Zweifel recht, und Maurer wurde in der Erstinstanz wegen übler Nachrede verurteilt. Die Revision verlief freilich erfolgreich.

In ihrer neuen Funktion wird Maurer, die früher manchmal zu Fundi-Positionen neigte, eine für sie ganz andere Rolle einnehmen müssen. Statt wie bisher Angriff wird es im Parlament wohl des öfteren Verteidigung heißen. Dazu gibt es einen unerfahrenen, aber dennoch selbstbewussten Klub unter Kontrolle zu halten. Schließlich wird die Hobby-Jazzsängerin vielleicht auch ihre eigene Rhetorik zügeln, speziell gegenüber dem Koalitionspartner. Früher war sie dem und vor allem deren Chef Sebastian Kurz ja nicht allzu zugetan: "Ich kenn' den ja. Der Typ ist unpackbar. Kurz ist für mich Karriere-geil, sonst nichts", verlautbarte sie im "Kurier" anlässlich ihres Abgangs von der ÖH-Spitze. Die kommenden Jahre werden wohl endgültig klären, ob Maurer ihre Meinung revidiert.

(APA/Red.)

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