USA-Iran-Konflikt

USA und Iran verschärfen Drohungen

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Intensive diplomatische Bemühungen um Deeskalation der Krise.  Iran entscheidet über weitere Schritte bei Atomabkommen.

Die USA und der Iran verschärfen ihre gegenseitigen Drohungen nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch das US-Militär. Zugleich bemühten sich Europäer, Russland und China intensiv um eine Deeskalation der Krise.

Der Iran will noch am Sonntag über eine weitere Aussetzung seiner Verpflichtungen aus dem internationalen Atomabkommen entscheiden. Die Beratungen darüber stünden im Lichte der jüngsten Drohungen der USA, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur IRNA den Sprecher des Außenministeriums in Teheran. Nach der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens von 2015 durch die USA im Mai 2018 hat der Iran schrittweise Verpflichtungen ausgesetzt.

Die Regierung in Teheran bezeichnete US-Präsident Donald Trump am Sonntag als "Terrorist im Nadelstreif" und verglich ihn mit Adolf Hitler und der radikal-islamischen IS-Miliz. Trump hatte dem Iran mit Gegenangriffen gedroht und erklärt, die USA hätten 52 Ziele im Iran im Visier. Er reagierte auf Drohungen der iranischen Revolutionsgarden, wonach 35 US-Ziele in der Region und in der israelischen Stadt Tel Aviv in Reichweite des Irans lägen.

Der Iran erwiderte, den USA fehle "der Mut", ihre Drohungen wahr zu machen. Der Iran bestellte wegen der Drohungen Trumps den für US-Angelegenheiten zuständigen Schweizer Botschafter in Teheran ein. Die "feindseligen und bedrohlichen" Aussagen Trumps seien "absolut inakzeptabel und verstoßen gegen internationale Gesetze", sagte Vizeaußenminister Abbas Araghchi dazu.

Der militärische Berater von Irans oberstem Führer Ayatollah Ali Khamenei, Hussein Dehghan, sagte in einem Interview des Nachrichtensenders CNN in Teheran, der Iran werde als Vergeltung für die Tötung Soleimanis "militärisch reagieren und gegen Militärstützpunkte". Der Iran wolle keinen Krieg. "Die USA haben den Krieg begonnen", sagte der Ex-Verteidigungsminister demnach. "Das einzige, was diese Phase des Kriegs beenden kann, ist es, wenn die Amerikaner einen Schlag bekommen, der dem Schlag entspricht, den sie uns angetan haben", sagte er CNN zufolge weiter. Danach sollten die Amerikaner nicht erneut Vergeltung anstreben, forderte er.

In der Islamischen Republik versammelten sich indes zahlreiche Menschen zur Trauer um Soleimani. Er galt als Nummer zwei hinter dem geistlichen und staatlichen Oberhaupt, Ayatollah Ali Khamenei.

Trump twitterte am Samstag, das US-Militär habe Ziele im Visier, die angegriffen würden, sollte der Iran Amerikaner oder amerikanische Einrichtungen attackieren. Die Zahl 52 stehe für die der amerikanischen Geiseln bei der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979. Einige Ziele seien sehr bedeutend und wichtig für den Iran und seine Kultur. Sie würden "sehr schnell und sehr hart" getroffen.

„Terrorist im Nadelstreif"

"Wie Isis, wie Hitler, wie Dschingis Khan", twitterte daraufhin Irans Informationsminister Javad Asari-Jahromi und nannte die IS-Miliz mit ihrem früheren Namen. "Sie alle hassen die Kultur. Trump ist ein Terrorist im Nadelstreif." Er werde sehr schnell lernen, dass niemand die große iranische Nation und Kultur besiegen könne.

Am Samstag hatten Irans Revolutionsgarden Angriffe in der Straße von Hormuz nicht ausgeschlossen, was erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben könnte. Die Meerenge zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman ist eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten. Durch sie geht etwa ein Fünftel der weltweiten Öltransporte. Die Eskalation führte auch in der Golfregion zum Kurseinbruch an den Börsen. Die Aktien des saudi-arabische Ölgiganten Aramco gaben deutlich nach.

Russland und China warfen den USA einen Bruch des Völkerrechtes durch die gezielte Tötung Soleimanis vor. Die Außenminister Sergej Lawrow und Wang Yi telefonierten am Wochenende mit ihrem iranischen Kollegen Javad Zarif. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief in einem Telefonat mit Zarif zur Zurückhaltung auf und lud ihn nach Brüssel ein, um über die Lage im Nahen Osten und das Atomabkommen mit dem Iran zu sprechen.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas kündigte direkte Gespräche mit dem Iran an. "Wir werden in den kommenden Tagen alle Hebel in Bewegung setzen, um einer weiteren Eskalation der Lage entgegenzuarbeiten - in den Vereinten Nationen, der EU und im Dialog mit unseren Partnern in der Region, auch im Gespräch mit dem Iran", sagte er der "Bild am Sonntag". Die Lage sei nach der Tötung Soleimanis "unberechenbarer geworden".

Außenminister-Gipfel am Donnerstag

Der britische Außenminister Dominic Raab will Anfang der Woche Maas und dessen französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian treffen. Am Donnerstag will er zu Beratungen mit US-Außenminister Mike Pompeo nach Washington reisen. Er bemühte sich in Gesprächen mit dem irakischen Regierungschef Adel Abdul Mahdi und Präsident Barham Salih um Deeskalation. Die USA hatten bei ihrem Angriff auf den Bagdader Flughafen auch den führenden irakischen Milizenführer Abu Mahdi al-Muhandis getötet. Um ihn und Soleimani trauerten am Wochenende viele Tausende Menschen im Irak und Iran. Soleimanis Leiche wurde nach Ahwas im Südwesten des Iran geflogen. Der hochdekorierte Kommandant der Al-Quds-Brigaden soll in seiner Heimatstadt Kerman beerdigt werden.

Außenamtssprecher Abbas Mussawi gab am Sonntag bekannt, dass der Iran einen weiteren Teilausstieg aus dem Wiener Atomabkommen von 2015 plant. "Wir werden diesbezüglich am Abend eine wichtige Sitzung haben und über die fünfte Phase des Teilausstiegs entscheiden", sagte er.

Das irakische Parlament wollte am Sonntag über Forderungen nach einem Abzug der rund 5000 im Land verbliebenen US-Soldaten beraten. Dazu war der Entwurf einer Resolution in Umlauf, die den Abzug ausländischer Truppen fordert und ihnen verbietet, den irakischen Luftraum zu nutzen. Es wurde allerdings nicht erwartet, dass genügend Abgeordnete für diese Resolution stimmen würden. Kurdische und sunnitische Abgeordnete blieben der Sitzung am Sonntag fern.

Ein Komplettabzug der US-Truppen aus dem Irak ist zwar eher unwahrscheinlich, doch könnte sich eine anti-amerikanische Stimmung in dem Krisenland festigen. Das allein wäre aus Sicht des Irans, der großen Einfluss im Irak hat, schon ein politischer Erfolg. Zudem befürchten Experten, dass Teheran mithilfe verbündeter schiitischer Milizen im Irak militärisch Rache an den USA nehmen könnte.

Trotz der Spannungen soll der deutsche Bundeswehreinsatz im Kampf gegen den IS im Irak fortgesetzt werden. "Der Irak darf nicht im Chaos versinken. Und schon gar nicht darf der Irak unter die Kontrolle von Extremisten geraten", erklärte die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Maas sagte der "Bild am Sonntag": "Solange es die Lage zulässt, sollten wir diesen erfolgreichen Einsatz nicht von uns aus infrage stellen." Deutsche Grüne und Linke forderten den sofortigen Abzug der rund 120 Soldaten.

Die deutsche Bundesregierung rief in einer Erklärung dazu auf, jede Eskalation zu vermeiden. Vor allem der Iran sei am Zug, der "mit der aktiven Unterstützung von Terrorismus und Gewalt" seit langem massiv die Region destabilisiere und Israel bedrohe. Sie prangerte Soleimani als einen Hauptverantwortlichen für den Export von Terror im Nahen Osten an, distanzierte sich aber zugleich indirekt von seiner Tötung. "Die Handlungsweise der Vereinigten Staaten erfolgte in der nationalen Verantwortung Washingtons und war nicht Teil der internationalen Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat."

Kurz bietet Wien für Verhandlungen an

Der ÖVP-Obmann und künftige Bundeskanzler Sebastian Kurz brachte in der Krise zwischen den USA und dem Iran einen Gipfel in Wien ins Gespräch. Kurz sagte der "Bild am Sonntag" (Online): "Wien steht selbstverständlich als Standort für mögliche Verhandlungen zur Verfügung, wenn der Iran und die USA wieder Gespräche führen wollen." Kurz äußerte Verständnis für das Vorgehen der USA: "Die Tötung des Generals ist eine Reaktion gewesen auf das iranische Vorgehen und iranische Verhalten in der Zeit davor. Es gab immer wieder Anschläge auf US-Diplomaten und US-Einrichtungen. Insofern ist es zu bewerten als das, was es war: nämlich eine Reaktion." Nun sei es jedoch wichtig, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Diplomatie sei auch in dieser Situation der einzig richtige Weg ist.

(APA/Reuters/dpa)

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