Iran/USA

Vergeltungsdrohungen bei Trauerfeier für iranischen General

Der Wunsch nach Rache wird offen gezeigt.
Der Wunsch nach Rache wird offen gezeigt.REUTERS
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Die Tochter des Getöteten kündigte einen „schwarzen Tag" für die USA an: „Verrückter Trump, denke nicht, dass mit dem Märtyrertod meines Vaters alles vorbei ist."

In Teheran haben sich am Montag Hunderttausende Menschen dem Trauerzug für den durch eine US-Drohne getöteten General Qassem Soleimani angeschlossen. Soleimani war für viele Iraner ein Nationalheld, in der Führung der Islamischen Republik rangierte er gleich hinter dem geistlichen und staatlichen Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei.

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Soleimanis Tochter, Seinab Soleimani, sagte bei der Trauerfeier, den USA und ihrem Verbündeten Israel stehe ein "schwarzer Tag" bevor. Deutschland, Frankreich und Großbritannien riefen gleichwohl alle Seiten zu äußerster Zurückhaltung auf. Der Iran kündigte unterdessen einen weiteren Rückzug vom internationalen Atomvertrag an, der das Land am Bau von Atomwaffen hindern soll. Der deutsche Außenminister Heiko Maas schloss ein Ende des Abkommens nicht aus und stellte eine mit Frankreich und Großbritannien koordinierte Reaktion in Aussicht.

Außenminister Alexander Schallenberg hat indessen am Montag zu Dialog und Deeskalation aufgerufen. "In Österreich herrscht große Sorge über die Zuspitzung der Geschehnisse der Region des Nahen Osten/Golf. Alle Seiten müssen dringend Schritte zur Deeskalation setzen", so der Minister.

Drohung an „verrückten Trump"

"Verrückter Trump, denke nicht, dass mit dem Märtyrertod meines Vaters alles vorbei ist", sagte Seinab Soleimani in Teheran. Die Menge im Trauerzug skandierte "Tod Amerika", während der mit einer iranischen Flagge bedeckte Sarg Kassems über die Köpfe der Menschen gereicht wurde. Soleimanis Nachfolger als Chef der mit Auslandseinsätzen beauftragten Quds-Brigaden-Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, General Esmail Ghaani sagte im staatlichen Fernsehen, der Tod werde gerächt werden. "Sicher wird es auch zu Aktionen kommen." Ayatollah Khamenei versagte bei seinen Gebeten die Stimme. Im Fernsehen war zudem zu sehen, wie er weint. Staatsmedien zufolge ging die Zahl der Trauernden in die Millionen. Das erinnert an das Begräbnis von Ayatollah Ruhollah Khomeini im Jahr 1989. Er hat die Islamische Republik gegründet und das Land damit auf Konfrontationskurs zu den USA gebracht.

APA/AFP/ATTA KENARE

Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, sagte der "Bild" laut Vorab-Bericht unter Bezug auf den Trauerzug: "Diktatoren haben immer riesige Begräbnisse." Die Menschen im Iran würden gezwungen, auf die Straße zu gehen. Sie könnten nicht ihre Meinung äußern. Ihn habe eine Flut von E-Mails von Iranern aus den USA, Europa und dem Iran selbst erreicht. "Sie danken uns, dass wir diesen Wahnsinnigen ausgeschaltet haben." Dadurch sei auch die Anschlagsgefahr in Deutschland gesunken.

Drohungen und Gegendrohungen

Der Iran hat jedenfalls Vergeltung für den Luftangriff im Irak zur Tötung Soleimanis angedroht. Auf die verschärften Spannungen reagierte Trump mit weiteren Drohungen: Die USA würden "schwere Vergeltung" üben, wenn es zu iranischen Racheakten komme, sagte er. Auch iranische Kulturstätten seien davor nicht sicher. US-Außenminister Mike Pompeo hatte kurz zuvor noch erklärt, dass Trump diese Drohung so nicht ausgesprochen habe. Militärische Angriffe auf Kulturstätten gelten als Kriegsverbrechen.

Die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran haben sich bereits deutlich verschlechtert, seit Trump 2018 einseitig den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen ankündigte. Er kritisiert den Vertrag als nicht ausreichend, um militärische und nukleare Ambitionen des Iran zu stoppen. Der Iran zieht sich seitdem selbst schrittweise aus dem Pakt zurück und erklärte nach der Tötung Soleimanis, sich nun auch nicht mehr an die festgelegtem Grenzen zur Urananreicherung zu halten. Deutschland, Frankreich und Großbritannien ringen indes um den Erhalt des Abkommens und wollen laut Maas noch am Montag über eine Reaktion beraten.

Naht das Ende des Atom-Abkommens?

"Das, was der Iran jetzt angekündigt hat, werden wir nicht einfach so achselzuckend hinnehmen können", sagte der Außenminister im Deutschlandfunk. Die Pläne des Iran stünden nicht im Einklang mit dem Atomvertrag. Nach Gesprächen mit dem Iran und Konsultationen mit der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA werde eine Entscheidung getroffen. "Einfacher ist das nicht geworden, und das kann auch der erste Schritt für ein Ende dieses Abkommens sein, was ein großer Verlust wäre", erklärte Maas. Ein Außenamtssprecher sagte später, Ziel Deutschlands bleibe die Rettung des Abkommens. Die Regierung in Berlin erklärte, der Iran gehe weiter in die falsche Richtung und werfe schwerwiegende Fragen zur Zukunft des Abkommens auf.

Der schiitische Iran ringt in der Golfregion mit dem sunnitisch geprägten US-Verbündeten Saudi-Arabien um die Vorherrschaft. Eines der Ziele der Teheraner Führung dabei ist der Abzug von US-Truppen aus dem Nachbarland Irak. Dieses Szenario wurde am Sonntag realistischer: In Bagdad, wo Soleimani und unter anderem ein irakischer Milizenführer durch US-Beschuss getötet wurden, forderte das Parlament den Abzug ausländischer Truppen. Trump drohte dem Irak daraufhin mit Sanktionen. Die USA haben rund 5.000 Militärs überwiegend als Berater im Irak.

Maas bezeichnete die US-Haltung als "nicht sehr hilfreich". Der Irak müsse mit Argumenten überzeugt werden, nicht mit Drohungen. "Wir werden jede Entscheidung akzeptieren, die dort (im Irak) getroffen wird", fügte Maas hinzu. Die deutsche Bundeswehr ist im Irak mit rund 120 Soldaten an dem US-geführten Einsatz gegen den IS beteiligt. Maas reist am 11. Jänner mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Moskau, um mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die aktuelle Entwicklung im Nahen Osten zu beraten.

Die Furcht vor einer weiteren Eskalation am Golf schlägt auch auf die Finanzmärkte durch. So zogen sich Anleger aus den internationalen Aktienbörsen zurück, in Deutschland verlor der Dax bis zum Montagmittag 1,5 Prozent. Schon am Freitag hatte er 1,3 Prozent eingebüßt, weil Investoren Geld in risikoärmere Anlagen wie Gold und Staatsanleihen umschichten. Der Ölpreis zog angesichts von Sorgen vor einer Eskalation der Lage weiter an. Ökonomen schließen nicht aus, dass der Konflikt auch die deutsche Konjunktur gefährden könnte.

(APA/AFP/Reuters/dpa/Red.)

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