Interview

Architekturbiennale: "How will we live together?"

Peter Mörtenböck und Helge Mooshammer schaffen bei der 17. Architekturbiennale in Venedig ab 23. Mai die "Platform Austria“.

"How will we live together?" Unter diesem Motto steht die 17. Architekturbiennale, die von 23. Mai bis zum 29. November in Venedig stattfindet. Den österreichischen Beitrag liefern nach der erstmaligen öffentlichen Ausschreibung die beiden Kuratoren Peter Mörtenböck und Helge Mooshammer. Den Pavillon wollen sie dabei zur Plattform machen, um die Zukunft der Städte zu erforschen.

Die Forscher und Gründer des "Centre for Global Architecture" wollen sich im Pavillon dem Thema Plattformurbanismus widmen, erklären die beiden in einem APA-Interview. "Das ganze Leben wird zu einer Summe von Abos, ohne die ich auch am städtischen Alltag nicht mehr teilnehmen kann", erklärt Helge Mooshammer, Stadt- und Kulturforscher an der TU Wien sowie Research Fellow am Goldsmiths College (University of London). Dies reiche von AirBnB über Carsharing- und E-Roller-Dienste bis hin zu Co-Living-Spaces, wie sie derzeit etwa in Los Angeles, New York oder London entstehen. "Ich muss mich um nichts mehr kümmern. Alles kommt im Paket. Dadurch verlieren wir die Kontrolle über unser Leben in der Stadt."

»Wir verlieren die Kontrolle über unser Leben in der Stadt.«

Helge Mooshammer, Stadt- und Kulturforscher an der TU Wien

In der "Platform Austria" geht es den beiden jedoch nicht um Schwarzmalerei, sondern um Lösungsansätze. "Vor 15 Jahren hatten wir noch ganz andere Zielvorstellungen", erklärt Mörtenböck, Professor für Visuelle Kultur an der TU Wien. "Damals herrschte die Theorie, dass wir uns als Teile einer Gesellschaft in Projekten wiederfinden. Wir haben von der projektiven Stadt gesprochen", erinnert er. Nunmehr stünden nicht Menschen im Zentrum von Projekten, sondern Plattformen im Zentrum von Menschen. "Die Leute docken sich als User an die Plattformen an." In dieser "quasi neutralen" Situation würde man aber vergessen, "dass die Plattformen nicht neutral sind", sondern von großen Konzernen kontrolliert werden.

Geteilte Erfahrungsräume statt „Unterwelt"

Problematisch sei dabei, dass durch Plattformen wie Facebook oder Instagram Räume geschaffen würden, "in denen alles ausgeschlossen werden kann, was irritiert. Das Wesen einer Plattform ist es, sich vom Rest abzuheben. Das heißt aber auch, dass andere Dinge zurückbleiben", so Mooshammer. Der Rest, das nennen die Forscher "Urban Fabric". "Dieses städtische Gewebe wird zerrissen, weil sich die partikulären Interessen in den Vordergrund stellen. Das klingt erst mal negativ. Die Stadt bricht auseinander, jeder ist in seinem Klub." Was dabei jedoch vergessen werde, sei etwa die enorme Logistik, die hinter den Plattformen steht, etwa jene Menschen, die über Nacht E-Roller einsammeln und aufladen oder der Transitverkehr inklusive Lagerhallen. "Dieses verbindende Element wird aber derzeit nicht erlebt, es ist unsichtbar. Es gibt gleichermaßen eine Unterwelt", so Mooshammer. Hier sehen die beiden die architektonische Herausforderung: Man müsste architektonische Strukturen entwickeln, "die es ermöglichen, einen geteilten Raum der Erfahrung herzustellen".

"Wir müssen uns völlig neue Architekturen vorstellen und die sollten nicht nur rein dekorativ entwickelt werden, sondern strukturell. Es brauche neue Repräsentationsstrukturen, die partikuläre Interessen (etwa von gemeinnützigen Vereinen, etc.) wieder aufgreifen. Man müsse wieder dazu zurückfinden, "mit bestimmten Figurationen neue Formen von Stadtvierteln zu entwickeln, die wieder etwas ausdrücken können", so Mörtenböck. 

Auf einen Blick

In den 27 Wochen der Biennale werden über 70 Personen aus verschiedensten Bereichen - Architekten, Planer, Architekturjournalisten oder Wissenschafter - aus verschiedenen Altersgruppen und aus aller Welt jeweils einwöchige Residenzen absolvieren, in deren Rahmen sie aus dem Pavillon bloggen. Sie sollen nicht nur das Geschehen im Pavillon spiegeln, sondern ihre Standpunkte zum Thema Plattformurbanismus artikulieren. Gemeinsam mit den Veranstaltungen, den mit "WeLike" gesammelten Eindrücken und einer Ausstellung von "analytischen Zeichnungen" von sonst im Verborgenen bleibenden Organisationsstrukturen, die "open source" zur Verfügung gestellt werden. Am Ende hofft man, das Biennale-Thema aus vielen Perspektiven beantworten zu können: "How will we live together?"

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