Film

„The Grudge“: Da ist sie wieder, die Geisterfrau

So hübsch anzusehen – und leider so substanzlos: Die neueste Adaption eines japanischen Horrorhits.

Vor etwa zwanzig Jahren wanderten japanische Geisterwesen en masse in den westlichen Mainstream ein. Hideo Nakatas hintergründiger und immer noch effektiver Horrorthriller „Ringu“ (1998) und Takashi Shimizus Ganslhaut-Garant „Ju-on“ (2002) sorgten im schauergesättigten Okzident für exotische Gruselnoten und etablierten eine der berühmtesten Figuren des Nippon-Kinos: die im weißen Kleid steckende, in abgehackten Bewegungen durch die Gegend kriechende Geisterfrau, deren lange pechschwarze Haare über das fahle Gesicht fallen.

Die Figur basiert auf dem mythologischen Motiv des japanischen Onryō. Sie ist längst in den Pantheon der filmischen Angstmacher eingegangen und feiert jetzt auch in Nicolas Pesces „The Grudge“ fröhliche Urständ. Die Spukschau ist das aktuell letzte Glied in einer Kette von verunfallten fernöstlichen wie westlichen Nachfolgern zum originalen „Ju-on“ (in etwa: der Groll) und spielt zur selben Zeit wie dessen – Hurra, Verwirrung! – gleich betiteltes US-Remake „The Grudge“ (2004), also Mitte des vorletzten Jahrzehnts. Damals war Pesce gerade in der Pubertät, jetzt legt der fleißige Endzwanziger seinen dritten Langfilm vor.

Empfohlen hat er sich mit dem Kunsthorror „The Eyes of My Mother“ und der Ryū-Murakami-Verfilmung „Piercing“: Beide Filme wurden – nebst unbestreitbarer bildgestalterischer Finesse – von skizzenhafter Dramaturgie und Style-Gedöns bei gleichzeitiger Substanzlosigkeit geprägt (und geplagt). „The Grudge“ spitzt das leider noch zu und zeigt Pesce im kompletten narrativen Leerlauf, was dank Kameramann und Schattenwurfmeister Zack Galler einmal mehr fesch anzuschauen ist.

Warten auf den Publikumsgroll

Das auf drei Erzählebenen handelnde G'schichterl serviert irritierend vorhersehbare Schreckmomente, während eine junge Polizistin im ländlichen Pennsylvania unerklärliche Todesfälle untersucht und dabei auf den aus Japan in die USA importierten Fluch stößt. Im Pop-Gedächtnis dürfte „The Grudge“ wohl vor allem aufgrund der massiven Talenteverschwendung hängen bleiben: Andrea Riseborough, William Sadler sowie die Grande Dame des zeitgenössischen US-Horrorkinos Lin Shaye („Insidious“) verwittern in ihren Ausstanzfiguren.

Auch Pesce kann mehr als das hier Gezeigte. Er verdient eine weitere Chance – sofern er aufgrund des zu erwartenden Publikumsgrolls auf „The Grudge“ nicht frühzeitig aus der Karrierekurve fliegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2020)

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