Fahrbericht

Nissan Leaf: Reichweite ist nicht das Problem

Mit knapp viereinhalb Metern Länge größer als typische Kompakte, dank großem 62-kWh-Akkupaket auch deutlich schwerer: Nissan Leaf in Variante E+.
Mit knapp viereinhalb Metern Länge größer als typische Kompakte, dank großem 62-kWh-Akkupaket auch deutlich schwerer: Nissan Leaf in Variante E+. (c) WGM
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Nissan Leaf mit größerem Akku: Kann das nun von der E-Mobilität überzeugen?

Der Nissan Leaf ist der Veteran unter den noch auf dem Markt befindlichen Elektrofahrzeugen – das Auto erschien 2010 und ist damit das längst gediente seiner Art.

Der Vorsprung verschafft ihm auch den Titel des bis dato weltweit meistverkauften, auch wenn die Konkurrenz aufgerückt ist: Im vergangenen Jahr führte Teslas Model 3 die globalen Charts an, gefolgt von zwei chinesischen Fabrikaten (BAIC und SAIC), die es bei uns nicht gibt, mit dem Leaf auf Platz vier. In Österreich hält er aktuell den sechsten Platz unter den Batterie-Elektrischen (BEV). Mit 2,4 Prozent BEV-Anteil an den Neuzulassungen (um die 8000 im vergangenen Jahr) rangiert Österreich übrigens über dem europäischen Schnitt (1,8 Prozent). Wir reden also von einem Zwergenreich, aus dem vielleicht einmal etwas Größeres wird.

Ein konventioneller Kompakter mit vergleichbarer Ausstattung kostet gut 10.000 Euro weniger.
Ein konventioneller Kompakter mit vergleichbarer Ausstattung kostet gut 10.000 Euro weniger. (c) Werk

Das hängt bislang vom Ausmaß staatlicher Zuwendungen ab. Denn nicht die beschränkte Reichweite oder die Lade-Infrastruktur sind der größte Hemmschuh, sondern der hohe Kaufpreis, bedingt durch die teuren Akkus, die ja auch die Hersteller zukaufen müssen. Bislang werden die Akkus noch teurer statt billiger, weil die Nachfrage steigt, der Nachschub aber begrenzt ist.

Resilienter Ladestand

An der neuen Variante des Nissan Leaf lässt sich die Situation, an der sich so schnell nicht viel ändern wird, gut ablesen. Was den Namen E+ trägt, bringt einen größeren Akku und damit mehr Reichweite: Statt 44 kWh speichert die Batterie 62 kWh. Das kann im Stadtverkehr schon für 500 Kilometer mit einer vollen Ladung gut sein: Man steht viel, man rekuperiert viel, Leistung wird nur in kurzen Intervallen abgerufen – hier zeigt sich der Ladestand von seiner resilienten Seite.

Auf der Autobahn, für die Elektroautos nicht geschaffen sind, erweisen sich Prognosen als schwierig. Schon bei 120 km/h schmilzt die Reichweite rasant dahin. Aber jedwedes Pendeln sollte sich dennoch sorgenfrei ausgehen, wenn man regelmäßig an eine fixe Steckdose kommt. Nachladen unterwegs fällt im Alltag wohl aus, wer will auf seinen Fahrten schon 30, 40 Minuten Pause einlegen? Spontane Ausreißer und Urlaubsfahrten bleiben ein Abenteuer.

(c) WGM

Damit ist der Leaf ein gutes Elektroauto, aber nach konventionellen Maßstäben eben ein nur eingeschränkt nutzbares. Bei einem Preis von abzüglich der Förderungen immer noch gut 40.000 Euro braucht es schon ein sehr großes Herz für die E-Mobilität. Er bietet ja nicht mehr Platz oder Pläsier als ein stinknormaler Golf. Doch, ein bisschen schon: Die One-Pedal-Funktion will man in der Stadt bald nicht mehr missen. Abrupt vom Pedal gehen entspricht einem mittleren Bremsmanöver, wie es einen vor der Ampel mit etwas Peilung verlässlich zum Stillstand bringt, ganz ohne mechanischer Bremse. Dass man von allerlei Servicekosten befreit ist (Bremsscheiben, Kupplung, Motoröl, etc.), steht beim BEV auf der Habenseite.

Das Mehrgewicht durch die zusätzlichen Batteriemodule des E+ (288 statt 192 Stück) beträgt ungefähr 170 Kilogramm, mit insgesamt 1731 kg ist er für einen Kompakten ein schwerer Brummer – ein Golf wiegt gut 330 kg weniger. Das spürt man auch: Der E+ setzt sich weniger spritzig in Bewegung als der normale Leaf. Aber nur auf den ersten Metern, dann kann man die Mehrleistung, die ihm zum Ausgleich mit auf den Weg gegeben wurde, mit etwas Nachdruck am Gaspedal ausspielen: 160 statt 110 Kilowatt (217 bzw. 150 PS) spielen schon in der GTI-Liga. Das Pedal tief im Bodenblech zu versenken bringt allerdings nicht viel, weil die Vorderachse mit dem vollen Antriebsmoment überfordert ist, erst recht auf feuchter Fahrbahn: Da tanzt das Lenkrad oder die Regelsysteme schreiten ein. Dynamische Ambitionen entwickelt man im Leaf aber ohnehin keine. Der Innenraum ist konventionell und wenig aufregend. Ein Auto für Fans der Gattung – aber keines, das neue gewinnen wird.

NISSAN LEAF E+ N-CONNECT.

Maße L/B/H 4490/1788/1540 mm. Radstand 2700 mm. Kofferraumvolumen max. 420 Liter. Leergewicht 1723 kg.

Antrieb Elektromotor an der Vorderachse, Leistung max. 160 kW (217 PS), Drehmoment max. 340 Nm.

Energiespeicher: Lithium-Ionen-Akku, Kapazität: 62 kWh. Ladesystem AC (bis 6,6 kW), DC (bis 50 kW; 100-kW-komp.).

0–100 km/h in 6,9 sec. Vmax 157 km/h.

Verbrauch im Test: 21,3 kWh/100 km.
Preis
ab 44.700 Euro.

Compliance-Hinweis:

Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2020)

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