Barszene

Helmut Adam: "Alkohol ist bereits tot"

Helmut Adam, stets am Puls der Barkultur, glaubt an eine alkoholfreie Zukunft.
Helmut Adam, stets am Puls der Barkultur, glaubt an eine alkoholfreie Zukunft. (c) m. Arnold
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Helmut Adam hat mit dem Magazin Mixology und dem Berliner Bar Convent Geschichte geschrieben. Jetzt setzt er auf alkoholfreie Getränke.

Als ob sein späteres berufliches Wirkungsfeld schon festgestanden wäre, wurde der 46-jährige Helmut Adam in der Schweiz geboren, in Deutschland ausgebildet und in Österreich seiner Bestimmung, der Gastronomie, zugeführt. Dies zunächst bei Do & Co von Attila Doğudan, später in der Planter's Bar von Peter Rössler. Danach begann das Abenteuer für Adam. London, Zürich und Berlin waren seine nächsten Stationen als Bar-Manager.

In London kam ihm die Idee für sein Magazin-Projekt Mixology. „Ich arbeitete dort in einer Member's Bar in Soho. Bei mir am Tresen saß häufig der Herausgeber eines Barmagazins. Ich merkte, dass die uns um Lichtjahre voraus waren. Die britische Barszene war gut vernetzt und hatte ihre eigenen Medien.“ Das eigene Magazin entwickelte Adam dann in Berlin mit Jens Hasenbein. 2003 erschien die erste Ausgabe.

Auffällig war die hohe Qualität der Publikation, die nach dem Börsenkrach 2008 in die Offensive ging und sich noch einmal luxuriös neu erfand. Andere gingen ein, Mixology blühte auf. In den ersten Jahren fungierte Adam als Chefredakteur. „Viele habe uns vom Magazin abgeraten. Aber ich sah die Gastronomie immer schon als Auffangbecken für Kreative und im positiven Sinn Verrückte aller Schichten. Sie waren es auch, bei denen Mixology ganz schnell Kult wurde.“

Londoner Ideen adaptiert

Barleute aus dem gesamten deutschen Sprachraum hatten jetzt ein Magazin, das ihnen neue Werte und Impulse vermittelte. Bald entwickelten die beiden Mixology-Macher den Berliner Bar Convent, eine Art Olympiade für Barmenschen, die das professionelle Niveau radikal gehoben hat. „Das war ebenfalls eine Idee, die aus London kam und die wir für den deutschsprachigen Raum adaptiert haben. Wir wagten wie schon bei Gründung des Magazins etwas und waren schon im ersten Jahr profitabel, auch weil wir vieles unkonventionell gelöst haben. Unsere Helfer kamen aus Berliner Clubs wie dem Berghain und dem Watergate.“

Vor einigen Jahren hat ihnen dann Reed Exhibitions, der größte Messeveranstalter der Welt, die Marke abgekauft. Adam: „Das war uns dann schon sehr lieb, weil die Messe logistisch zu einem Monster angewachsen war und wir ziemlich im Hamsterrad waren.“ Und jetzt hat sich Adam sogar dazu entschlossen, sein liebstes Kind Mixology an einen anderen Verlag abzugeben. „Ich hatte schlicht das Gefühl, dass nach 17 Jahren Zeit für etwas Neues ist. Ich hatte ein Burn-out vor einigen Jahren. Das hat mir auch gezeigt, dass man demütig bleiben muss.“

Mehr als Mocktail und Kinderkarte

Die Zeit mit Mixology hat Helmut Adam verändert. Aus einem introvertierten Menschen wurde ein Frontmann und Kommunikator, der jetzt wieder leiser treten will. Dass er sich stärker seiner Familie widmen will, heißt aber nicht, dass er nicht an neuen Ideen feilen würde. Adam sieht die Zukunft in alkoholfreien Cocktails. Erhat in die Marke „Undone“ investiert. „Derzeit ist es so, dass du, wenn du keinen Alkohol trinken magst, die Kinderkarte angeboten bekommst. Oder man bietet dir einen zuckrigen Mocktail an. Dabei möchte man vielleicht ein Geschmackserlebnis und Trinkritual erleben, wie es sich beim Alkohol etabliert hat.“

Adam und seine Geschäftspartner bieten derzeit vier Varianten an. Alternativen zu Gin, Rum, Wermut und Italian Bitter. „Für Gin und Rum werden echte Spirituosen dealkoholisiert, die beiden Aperitif-Getränke werden in alkoholfreiem Fermentationsprozess hergestellt. Wir sind im letzten Juni in New York gestartet und rollen seit September die deutschen Märkte aus.“ Ziel? Den weltweiten Alkoholkonsum bis 2025 um 20 Prozent zu reduzieren.

Wird die Zukunft tatsächlich alkoholfrei? „Ja, Alkohol ist bereits tot, weiß es aber noch nicht,“ scherzt er. Und fügt ganz ernst hinzu: „Alkoholfreie Alternativen zu Spirituosen sind dort, wo Veganismus vor zehn Jahren war. Es gibt da eine Zielgruppe, die schlicht nicht bedient wird.“ Das passt gut zu Adams persönlichem Credo. Es stammt von Bruce Lee und lautet: „Be water, my friend.“

ZUR PERSON

Helmut Adam wurde 1973 in Münsterlingen im Kanton Thurgau in der Schweiz geboren.

Er ist österreichischer und deutscher Staatsbürger und lebt in Berlin. Er ist Barmann, Mitbegründer des Mixology Magazins und des Berliner Bar Convent. Derzeit entwickelt er mit seiner Marke „Undone“ alkoholfreie Cocktailalternativen.

Lieblingsdrinks: Italian Bitter mit Soda und Mezcal Sours.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2020)

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