Handball-EM

„Magier“ aus Umag: Rumpelstilzchen an der Seitenlinie

Lino Červar, 69, Kroatiens Kulttrainer.
Lino Červar, 69, Kroatiens Kulttrainer.(c) REUTERS (Andreas Gebert)
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Lino Červar, 69, Kroatiens Kulttrainer mit Klagenfurter Historie, ist in Fahrt.

Graz/Wien. Eigentlich schaut er aus wie Woody Allen. Seine Mimik und Gesten aber lassen an Louis de Funès denken – doch sobald ein Handballspiel läuft, ist klar, wer da an der Seitenlinie steht, schreit oder herumspringt wie ein Rumpelstilzchen. Dieser Stil ist wirklich einzigartig, ja legendär: Es ist der Kroate Lino Červar.

Der 69-Jährige ist Kroatiens Teamchef, wieder einmal, nein: noch immer. Der Handball-Stratege war Meistertrainer in Zagreb, auch mit Papillon Conversano wurde er (italienischer) Meister, er war Serienchampion mit Skopje, führte Metalurg ins Champions- League-Viertelfinale. Er war Teamchef der Italiener, Mazedonier, seine größten Erfolge feierte der „Magier aus Umag“ mit seinen Landsleuten. WM-Gold 2003, Olympia-Gold 2004 in Athen – er erlebte aber auch bittere Finalniederlagen 2005, 2008, 2009 und 2010 in Wien.

Explosion der Emotionen

Keiner leidet so, emotional geprügelt, wie Červar. Er flucht, schimpft, speit Gift und Galle. Aber, auch die wenigsten greifen zu seinen Methoden. Dass er gegnerische Spieler anpackt und beim Angriff stört, ist durchaus schon vorgekommen. Nach wenigen Minuten ist diese Explosion der Emotionen schon wieder Vergangenheit. Dann schaut er wieder so still wie Woody Allen.

Jetzt versucht er es erneut, bei dieser EM bestreiten die Kroaten ihre Gruppenphase in Graz. Auftaktgegner Montenegro (27:21) war keine Hürde, eher ein schlichtes Warmlaufen für Spieler und den Trainer. Für Červar war es ja auch ein besonderer Auftritt. Zurück in Österreich, ein herzliches Wiedersehen mit Günter Pfeistlinger, dem ehemaligen SVVW-Präsidenten, der jetzt als Pressechef in Graz nach dem Rechten sieht. „Ja, ich erinnere mich gern zurück an die Zeit als Trainer in Klagenfurt (1991 bis 1994, Anm.). Da ich in Umag wohne, verfolge ich die österreichische Liga immer noch besonders, ich bin informiert.“

„Das Gehirn ist ein Muskel“

Červars Geschichte ist legendär. Er führte seinen Heimatverein Umag einst aus der Viertklassigkeit in die höchste Liga. Dann fehlte das Geld – und er rief Pfeistlinger an, der einen Trainer suchte. 58 Euro pro Wochenende, 14,50 Euro pro Punkt – das war 1991 seine Gage. Da pendelte er sogar noch zwischen Wörthersee und Istriens Küste. Dann stieg die Gage auf 290 Euro im Monat plus Garçonnière und Auto. Nur den Sprit bezahlte er weiterhin selbst.

Ob Ausflug in die Politik (Parteivorsitzender der Demokratischen Union), Trainer oder Teamchef: Červar will immer gewinnen. Dass die Schweden, Norwegen, Spanien, Frankreich als Favoriten gelten bei dieser EM, interessiert ihn nur peripher. Dass das sport-begeisterte Kroatien wieder ein „Wunder“ verlangt, weiß er trotzdem. Die große Enttäuschung, Platz fünf bei der Heim-EM 2018, hat man dem „Magier“ verziehen. Jetzt müsse er jedoch liefern. Und genau diesen Druck braucht ein fleischgewordener Vulkan wie Červar auch, der weiterhin Spielern á la Gunnar Prokop eintrichtert, dass ihr „Gehirn ein Muskel“ sei, der trainiert werden müsse.

Große Trainer polarisieren, ihre Methoden sind mitunter umstritten. Doch der Erfolg gibt ihnen recht. Bei Červar ist es auch unbestritten sein Schauspiel an der Seitenlinie, das ihm im Welthandball wahren Kultstatus beschert hat.

ZUR PERSON

Lino Červar
(* 22. September 1950) lebt in Umag, ist Teamchef der kroatischen Handballer und war von 1991 bis 1994 auch in Klagenfurt engagiert. Er gewann WM- und Olympia-Gold – jetzt soll er sein Team bei der EM zurück zu den Medaillen führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2020)

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