„Anxiety“ ist das Wort der Stunde. New York, fotografiert von Christopher Anderson.
Spectrum

New York: Die Stadt der blinden Flecken

In New York soll es gegenwärtig so viele Obdachlose geben wie seit den 1930ern nicht mehr. Und tatsächlich, sie sind überall. Gleichzeitig habe ich noch keinen Amerikaner ein böses Wort an einen Obdachlosen richten sehen. Die Leute scheinen zu wissen, wie nah sie selbst dem Abgrund stehen. Mein Manhattan – eine Begegnung.

Ich habe keine Ahnung, wie ich diesen Text beginnen soll. Vor ein paar Wochen hätte ich es gewusst, nahtlos angekommen, alles ein großes, blinkendes Fragezeichen in meinen Augen. Ich war lang genug weg, um alles wieder neu sehen zu können, lang genug, dass mir die Seltsamkeit aller Dinge und der Umrisse der Menschen wie gleißende Linien in der New Yorker Luft ins Auge traten. Ich sah gut. Ich sah scharf.

Diese Zeit ist vorbei. Normalität passiert verdammt schnell in diesem Land, genauso wie die Zeit ganz allgemein, sie erledigt sich hier von selbst, erschöpft sich in einem endlosen Streben, dessen Ende nie das Jetzt sein kann, und vollzieht sich über ihre Subjekte hinweg mit Sicherheit doppelt so schnell wie zu Hause. Die Nadel des globalen Kompasses ist hier, in New York. Ihr ständiges Rasen und Kreisen wirkt am Mittelpunkt wie eine wabernde Ruhe, ihr Sirren und Schwanken ist das Geräusch, das jeder Tag hier macht: ein rückwärtsfahrender Truck um vier Uhr in der Früh, die U-Bahn als hüpfende Blechdose auf nicht geschmierten Gleisen, das metallische Knallen der Gewichte, wenn sie ein Typ im Fitnesscenter wieder einmal auf den Boden krachen lässt. Der aufsteigende Ärger.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.