Die guten Schneeverhältnisse laden auch zu Fahrten abseits der Pisten ein.
Französische Alpen

Val Thorens: Skifahren wie Gott in Frankreich

Austern und Champagner in der Skihütte, 600 Kilometer Piste und nonchalante Gastgeber: Europas höchster Skiort ist eher heimelig als mondän.

Schneemangel? Weiße Kunstschneebänder auf grünen Hügeln? Nicht in Val Thorens! Wer sich die – zugegebenermaßen etwas mühsamen – Serpentinen der Hochstraße auf 2300 Meter Seehöhe hinaufgequält hat, wird mit dem Ausblick auf ein weitläufiges Hochtal belohnt, das von Ende November bis Anfang Mai zum Skifahren einlädt. Aktuell werden 173 cm Schnee im Tal, 222 cm am Berg gemeldet. Kein Mangel also an der weißen Pracht. Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt mit dem Mietauto vom Flughafen Genf und ich bin froh, dass ich nicht auf der Rückbank sitze. Die Bergstrecke in den höchstgelegenen Skiort Europas ist nichts für schwache Magennerven. Aber es lohnt sich . . .

Wir befinden uns im Skigebiet Trois Vallées – bestehend aus den Orten Val Thorens, Saint-Martin-de-Belleville, Les Menuires, Méribel, Orelle, La Tania und Courchevel. Insgesamt zählt man hier 600 Pistenkilometer (zu viele, um sie an einem verlängerten Wochenende auch nur ansatzweise auszukosten, ohne den Blick aufs Wesentliche zu verlieren – den Erholungsfaktor) und 174 Liftanlagen. Es ist eines der größten Skigebiete der Welt. Und wenn man auf dem Sessellift mitten durch den Ort fährt, knapp vorbei an den unzähligen Appartementhäusern, ziehen die Gäste besser die Vorhänge zu, wenn sie keine neugierigen Blicke auf sich ziehen wollen.

Die Hüttengaudi schaut hier ein bisschen anders aus – weniger Après-Ski-Bum-Bum, mehr Ruhe und Genuss.
Die Hüttengaudi schaut hier ein bisschen anders aus – weniger Après-Ski-Bum-Bum, mehr Ruhe und Genuss. (c) C.Cattin OT Val Thorens, club 27

1971 stand hier noch kein Haus

Zweckmäßig ist wohl der passende Ausdruck für die vorherrschende Architektur im Zentrum. Das ist eine Enttäuschung (es wird die einzige bleiben). Traditionell-idyllische Häuser, wie man sie aus österreichischen Wintersportorten kennt, findet man hier nur wenige. Das liegt an der erst jungen Geschichte Val Thorens, das gerade einmal keine fünfzig Jahre alt ist. Erst Ende der 1960er-Jahre entstand die kühne Idee, diesen hoch gelegenen Talschluss in den französischen Alpen als Skigebiet zu erschließen. Als 1971 mit bescheidenen kommunalen Mitteln die ersten drei Schlepplifte gebaut wurden, stand in Val Thorens noch kein einziges Gebäude, die neu gegründete Liftgesellschaft musste in einem Container hausen. Der Aufstieg gelang schnell. Schon zehn Jahre später wurde mit der Gondel zum Gipfel des 3195 Meter hohen Cime de Caron die damals größte Seilbahn der Welt gebaut. Wir haben Glück und können von oben weite Teile der französischen Alpen überblicken – wie den Mont Blanc und das Écrins-Massiv.

Heute gibt es in dem 500-Seelen-Ort nicht weniger als 22.500 Gästebetten. Trotzdem hat man nicht das Gefühl der Masse. Zu weitläufig ist das Gelände, zu großzügig das Skigebiet, in dem nie Andrang herrscht. Dass man sich gleich heimelig fühlt, liegt aber vor allem an der entgegenkommenden Art der französischen Gastgeber, die dem Urlauber mit freundlicher Nonchalance begegnen – und ihn mit Hingabe bekochen.

Essen mit Michelin-Stern

60 Restaurants gibt es, auch Spitzengastronomie wie das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant „Les Explorateurs“ im Nobelhotel „Pashmina“. Hier serviert Küchenchef Josselin Jeanblanc Köstlichkeiten wie Japanisches Wagyu-Rindfleisch im Pho-Topf, Hechtkuchen mit Flusskrebs-Cappuccino und Mont-Blanc-Schnecken mit Pilzravioli. Spätestens jetzt fühlt man sich wie Gott in Frankreich. Im Restaurant herrscht alpiner Schick. Die Atmosphäre ist weniger mondän denn gemütlich, und man fühlt sich auch in Jeans nicht deplatziert.

Es wäre aber nicht Frankreich, würde man nur im Haubenlokal hervorragend essen. Auch auf der Piste muss man auf Gaumenfreuden nicht verzichten. In der Skihütte „Refuge du Lac du Lou“ gibt's Hausmannskost. Wir erreichen sie von Val Thorens aus über eine herausfordernde Fahrt durchs freie Gelände und belohnen uns mit einem deftigen Gratin de crozet. Nobler geht's im „Chalet de la Marine“ zu: Diese Skihütte mitten auf der Piste, die man auch zu Fuß erreichen kann, ist ein Gourmetrestaurant. Hier schlürft man in Skischuhen und Overall Austern und Champagner. Das ist l'art de vivre!

FRANZÖSISCHE ALPEN

Anreise: EasyJet bietet sieben Flüge pro Woche von Wien nach Genf an.

Hotel: Einfach und kostengünstig logiert man z. B. im Hotel „Val Chavière“; gehoben im „Pashmina“ (hier befindet sich auch das „Les Explorateurs“).

Weitere Aktivitäten: Nachtpiste bis 18.30, Zipline (1300 Meter), Motor- oder Gleitschirmfliegen (mit Ski oder Snowboard), Mountainbiken im Schnee.

Infos: at.france.fr (für ganz Frankreich), www.valthorens.com (Tourismusamt Val Thorens).

Compliance: Die Reise erfolgte auf Einladung von Atout France.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2020)

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