Morgenglosse

Rassismus ist keine Frage der Wahrnehmung

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AUSTRIA-POLITICS-PARLIAMENTAPA/AFP/ALEX HALADA
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Diskriminierung oder Kränkung – was war zuerst da? Die Sensibilisierung gegenüber rassistischen Äußerungen, die derzeit auf Facebook und Twitter zu beobachten ist, geht von der falschen Prämisse aus.

Die öffentliche Debatte über rassistische Beschimpfungen von Justizministerin Alma Zadić sowie die zahlreichen Solidarisierungsbekundungen haben zu so etwas wie einer Sensibilisierung gegenüber der Sprache in sozialen Medien geführt. In so manchem Kommentar räumen User ein, sich zum ersten Mal näher mit dieser Thematik beschäftigt zu haben und draufgekommen zu sein, dass einige ihrer Aussagen als diskriminierend und verletzend empfunden werden, obwohl sie das natürlich nicht beabsichtigt hätten. Jetzt, da sie erkannten, wie sehr sie Menschen damit treffen, wollten sie künftig Begriffe wie etwa „Zigeuner", „Kanake", „Muselmann" oder „Jugo" nicht mehr verwenden.

Ein Gedanke, der einsichtig und reumütig klingt, dem aber ein fundamentales Missverständnis zugrundeliegt. Diskriminierende Bemerkungen sind nicht diskriminierend, weil sie Menschen kränken. Sondern sie kränken Menschen, weil sie diskriminierend sind. Rassistische Äußerungen dürfen nicht nach Emotionen beurteilt werden, die sie bei den Betroffenen auslösen. Andernfalls wäre es beispielsweise legitim, einen Farbigen als „Bimbo" oder einen Asiaten als „Schlitzauge" zu bezeichnen, wenn diese das nicht als beleidigend auffassen.

Diskriminierung ist also keine Frage der persönlichen Wahrnehmung, sondern ein objektiv erklär- und benennbarer, wenn auch nicht immer vorsätzlicher Affront. Dieses wichtige Wesensmerkmal beschreibt auch die deutsche Journalistin und Autorin Alice Hasters in ihrem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ (Hanser).

Vielleicht liegt genau darin die tragische Ironie: Dass Rassismus, Antisemitismus und Sexismus Gefühle und Empfindungen auslösen, sich aber nicht über Gefühle und Empfindungen definieren lassen. Edelmut, Anteilnahme und Wohlwollen sind gut. Aber unverzichtbar sind Reflexion, Feingefühl und vor allem Wissen.

Interview mit Alma Zadić:
„Rassismus muss niemand aushalten“

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