Glaubensfrage

Lasst Kardinal Schönborn in Pension gehen!

Der zuletzt von Krankheit geschwächte 75-jährige Erzbischof hat sich eine rasche Nachfolgeentscheidung Roms verdient.

Dieser Tage kehrt Christoph Schönborn nach Wien zurück. Von einer Rekonvaleszenz nach einem Lungeninfarkt vor Weihnachten kehrt er in seine Wirkstätte Wien zurück. Hier leitet er fast seit einem Vierteljahrhundert die katholische Kirche der Erzdiözese und (soweit das kirchenrechtlich überhaupt möglich ist, also eingeschränkt quasi nur kraft Autorität) als Vorsitzender der Bischofskonferenz auch ganz Österreichs.

Der Kardinal wird ab Mitte Jänner langsam beginnen, seine Amtsgeschäfte wieder aufzunehmen, heißt es. Dieses Unterfangen ist jedoch mit einer Einschränkung verbunden: Zu 100 Prozent wird es nach heutigem Wissensstand wahrscheinlich nicht mehr möglich sein, den bischöflichen Tagesablauf mit Terminen zuzupflastern. Die Planungen in den Büros rund um den Stephansplatz gehen auch mittelfristig von einem reduzierten Terminkalender für Christoph Schönborn aus. Immerhin vollendet der in wenigen Tagen, am 22. Jänner nämlich, auch sein 75. Lebensjahr. Und die Prostatakrebs-Operation Mitte sowie die Lungenembolie Ende vergangenen Jahres haben dem sonst über die Jahre hinweg gesunden Spitzenkleriker zugesetzt.

Das mit Erreichen der Altersgrenze zu diesem Datum vorgeschriebene Rücktrittsgesuch hat Christoph Schönborn vorsorglich schon vor Wochen persönlich im Vatikan abgegeben. Und er hat Papst Franziskus auch nicht seine dringende Bitte verschwiegen, dass dieses bald nach dem 75. Geburtstag angenommen werden möge. Das Oberhaupt der Kirche ist auch in dieser Entscheidung völlig frei. Für verdiente Kardinäle, so sie denn gesund sind, ist eine Verlängerung selbst bis zum 80. Geburtstag möglich, siehe das Beispiel Kardinal Franz König, der Schönborn zum Priester geweiht hat.

Wenn der Kardinal aus Wien tatsächlich bei Papst Franziskus und in den vatikanischen Dikasterien so gut angeschrieben ist, wie es in der Vergangenheit immer den Anschein gehabt hat – und es gibt überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln – dann, ja dann müsste Rom Erbarmen mit Christoph Schönborn haben. Dann müsste die Kirchenzentrale einen ihrer auch international hervorragenden Purpurträger, die sie, genauer Johannes Paul II., kreiert hat, bald in den Ruhestand entlassen.

Er hätte es sich verdient, dass ihm die Last des Alltagsgeschäfts an der Spitze einer weder kleinen noch unbedeutenden Diözese von seinen heute nicht mehr so kräftigen Schultern genommen wird. Außerdem, es soll nicht verschwiegen werden: Die Diözese selbst mit ihren trotz Zusammenlegungsfantasien noch immer mehr als 600 Pfarren, 1000 Priestern und über einer Million kirchenbeitragszahlenden Mitgliedern hat sich einen durch monate- oder gar jahrelange Nachfolgesuche bedingten Stillstand auch nicht verdient.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2020)

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