Am Herd

Ich kriege es langsam mit der Angst zu tun

Buschfeuer in Australien.
Buschfeuer in Australien.APA/AFP/PETER PARKS
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Über zutrauliche Koalas, eine orange-rote Sonne am helllichten Tag und ein Flammenmeer.

Meine Schwester macht gerade Urlaub in Australien. Danke der Nachfrage, es geht ihr gut. Einen Tag lang steckte sie an einem kleinen Ort am Meer fest, alle Straßen waren gesperrt und der Rauch machte den Aufenthalt im Freien unmöglich, aber bald konnte sie weiterfahren, weg vom Feuer. Nein, ich hatte keine Angst um sie: Wenn in einem so großen Land wie Australien zwei Dutzend Menschen in Buschbränden sterben, so ist die Gefahr für den Einzelnen immer noch sehr, sehr gering, vor allem, wenn er nicht gerade Feuerwehrmann ist oder das eigene Haus gegen die Flammen verteidigen muss.

Trotzdem habe ich die Nachrichten aus Australien genauer verfolgt, als ich es sonst getan hätte. Ich weiß, an welchen Tagen Melbourne im Rauch versank, wann in Canberra Flüge gestrichen wurden, ich habe die Videos gesehen von verendeten Tieren am Straßenrand, grau und starr liegen sie da, alle paar Meter Kadaver, ein apokalyptisches Bild wie so viele, die Australier im Netz teilen: in den Himmel lodernde Flammen. Eine Sonne, orange-rot gefärbt am helllichten Tag. Ein verstörter Koala, der sich ans Bein eines Radfahrers klammert. Überhaupt die Koalas: Sie scheinen jede Scheu vor dem Menschen verloren zu haben.


Klimawandel. Ich habe aber auch die Tweets von Australiern gelesen, die der Meinung sind, der Klimawandel spiele bei den jetzigen Buschbränden gar keine Rolle: Solche Feuer passieren halt, das ist doch immer schon so gewesen. Sie posten Bilder von einem strahlend blauen Himmel und fragen, wo da der Rauch sei, bitte? Sie kündigen an, sie würden nicht mehr Radio hören und keine Nachrichten mehr schauen, denn überall würden nur Fake News verbreitet. Klimahysterie, schreiben sie.

Ich weiß nicht, wie man heute den Klimawandel noch leugnen kann, wo wir ihn doch alle selbst zu spüren bekommen und sich die Wissenschaft einig ist wie selten: Die Welt, wie wir sie kennen, ist bedroht. Wir müssen handeln, und zwar schnell. Vor allem: Selbst, wenn ich all den Meteorologen, Glaziologen, Geologen und Biologen misstraue, selbst wenn ich glaube, sie übertreiben maßlos – wie kann ich mir so sicher sein? Wenn mich jemand vor einer Lawine warnt, die mein Haus verschütten wird – dann handle ich doch, oder? Auch wenn ich ein paar Zweifel habe.

Ich jedenfalls bemerke, wie mir zunehmend bange wird. Eine Zeitlang habe ich noch gewitzelt, dass ich in ein paar Jahren die letzte Wienerin sein werde, die im Sommer hier die Stellung hält, ich liebe die Hitze und hasse die Kälte, ich bin die Klimawandelgewinnlerin, haha, aber das ist mir mittlerweile vergangen. Ich schaue nach Australien und habe Angst. Angst ist genau das richtige Wort.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2020)

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