"Inakzeptabel"

Roma in Ungarn empört über Orbán-Äußerung

Viktor Orbán
Viktor OrbánREUTERS
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Wegen Ausgrenzung hat ein Gericht Schülern der größten ungarischen Minderheit im Ort Gyöngyöspata eine Entschädigungen zugesprochen. Eine Äußerung Orbáns dazu sorgt für Aufregung.

Entrüstung herrscht unter den ungarischen Roma wegen einer Äußerung des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Vertreter der größten ungarischen Minderheit werfen Orbán vor, ein Urteil diffamiert zu haben, wonach den Schülern aus dem Kreis der Volksgruppe im Ort Gyöngyöspata wegen Ausgrenzung Entschädigungen zustehen.

Auf einer Pressekonferenz hatte Orbán am Donnerstag erklärt: "Würde ich in Gyöngyöspata leben, würde ich mich schon fragen, warum die Mitglieder einer ethnischen Minderheit ohne jegliche Arbeitsleistung eine große Summe erhalten, während ich mich hier den ganzen Tag abrackere."

Die Roma-Selbstverwaltung von Gyöngyöspata reagierte empört: "Es ist inakzeptabel, dass der Ministerpräsident des Landes die Entschädigung zu ohne Arbeit erhaltenem Geld abwertet, das ein ungarisches Gericht (...) Roma-Familien zugesprochen hat." 62 Schüler der Volksschule des Ortes sollen insgesamt rund 100 Millionen Forint (knapp 300.000 Euro) erhalten. Das Urteil der Kurie, des Obersten Gerichtshofes, steht in dem Fall noch aus. Zur Segregation der Roma-Schüler gehörte, dass sie auf ethnischer Basis in isolierten Sonderklassen untergebracht wurden, die Klassenräume der anderen Schüler nicht betreten und nicht an Klassenausflügen und Schwimmunterricht teilnehmen durften.

Die oppositionelle Demokratische Koalition (DK) kritisierte Orbán. Laut ihrem stellvertretenden Fraktionschef Gergely Arato hat Orbán damit die ohnehin gespannte Lage in Gyöngyöspata weiter angeheizt, den Rest der Bevölkerung gegen die Roma aufgehetzt und behauptet, die Gemeinde müsse die Entschädigungen allein zahlen, was nicht zuträfe. Wie Arato am Samstag der APA gegenüber betonte, sei der Ort ohnehin ein Pulverfass, bekannt durch Anti-Roma-Aufmärsche der ehemaligen, rechtsradikalen Ungarischen Garde. Und Orbán gieße noch Öl ins Feuer, beklagte Arato.

Strafanzeige

Die DK will ferner eine Strafanzeige gegen Orbán wegen eines anderen Urteils auf den Weg bringen. Der Grund sei "Amtsmissbrauch", da sich der Premier weigere, rechtskräftige Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) umzusetzen. Arato erinnerte an Urteile, nach denen Insassen ungarischer Gefängnisse wegen schlechter Haftbedingungen entschädigt werden sollen. Orbán habe die Zuständigen beauftragt, jegliche Zahlung zu unterbinden.

Der für die Region zuständige Parlamentsabgeordnete von Orbans rechtsnationaler Partei Fidesz, Laszlo Horvath, bezeichnete die "Segregations-Angelegenheit" der Schule in Gyöngyöspata als "Geld-Sammelaktion" des Netzes von George Soros. Den liberalen, ungarischstämmigen US-Milliardär und Demokratie-Förderer hat sich Orbán zum Feindbild erkoren.

In Ungarn sind die Roma mit geschätzten rund 800.000 Angehörigen die größte Minderheit, die auch 30 Jahre nach der Wende zumeist auf dem Abstellgleis der Gesellschaft lebt.

(APA)

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