Veränderung

Frankreich: Regierung lenkt bei Pensionsalter erstmals ein

Seit fast 40 Tagen demonstrieren Gewerkschaften – nun gibt es erste Erfolge.
Seit fast 40 Tagen demonstrieren Gewerkschaften – nun gibt es erste Erfolge.(c) APA/AFP/LIONEL BONAVENTURE (LIONEL BONAVENTURE)
  • Drucken

Nach fast 40 Streiktagen ist Premierminister Philippe zu einem kleinen Kompromiss bereit. Die Gewerkschaften feiern den hart errungenen „Sieg“. Am Wochenende kam es erneut zu Prosten und Zusammenstößen.

Paris. Der französische Premierminister Edouard Philippe hat unter dem Druck von Streiks und Demonstrationen seit mehr als einem Monat eine erste Konzession gemacht und die von ihm als unumgänglich bezeichnete Erhöhung des Pensionsalters von 62 auf 64 „provisorisch“ ausgesetzt.

Diese Maßnahme soll nicht wie angekündigt in der Gesetzesvorlage stehen, die am 24. Jänner vor den Ministerrat kommt. Gleichzeitig aber behält sich der Regierungschef vor, später diese unpopuläre Verlängerung der Erwerbstätigkeit doch noch einzuführen. Philippe kommt so den gewerkschaftlichen Forderungen entgegen, ohne aber das Gesicht zu verlieren, indem er auf seine Absichten ganz verzichtet hätte. Am Wochenende gingen erneut in mehreren Städten Zehntausende auf die Straße. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Philippes Konzession ist, wie er selbst in einem Schreiben an die Sozialpartner erklärt, nur „provisorisch“. Und womöglich sogar nur eine Pseudolösung. Denn die Staatsführung behält sich explizit das Recht vor, schon Ende April auf diese von ihr gewünschte Erhöhung der Altersgrenze für den vollen Bezug zurückzukommen, wenn sich Arbeitgeber und die Gewerkschaften nicht kurzfristig auf neue Finanzierungsmittel einigen – was in der Tat höchst unwahrscheinlich anmutet. Allein schon die Tatsache, dass Philippe den Sozialpartnern nur drei Monate Zeit gewährt, um Lösungen zu finden, die ihm das finanzielle Gleichgewicht garantieren können, belegt, dass für ihn seine ursprüngliche Maßnahme verschoben und nicht aufgehoben ist.

Trotzdem knickt der Premier mit dieser Erklärung in der öffentlichen Meinung politisch ein, weil er auch von Präsident Emmanuel Macron zu einem „Kompromiss“ gedrängt wurde. Die Streikenden müssen das Gefühl haben, dass sie mit ihren Aktionen etwas erreichen können, auch wenn Philippes Zugeständnis den meisten bei Weitem nicht genügend erscheint. Denn die Einführung eines Punktesystems zur Berechnung der Pensionen, die für eine Mehrheit der Betroffenen fast automatisch eine Senkung der Leistungen zur Folge haben müsste, bleibt in der Gesetzesvorlage.

Genugtuung über Erfolg

Im Gegensatz zu den klassenkämpferischen Verbänden wie CGT äußern die gemäßigteren Gewerkschaften CFDT und Unsa heute ihre Genugtuung über ihren „Sieg“ und das Entgegenkommen der Regierung. Viele Franzosen fragen sich, warum es für diese kleine Konzession einen solch zermürbenden Kampf brauchte und sich die Regierung nicht mit den durchaus kooperativen Gewerkschaften von Beginn an auf einen Kompromiss einigen konnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.